|
Wirt: Diesen Pfarrer könnte ich mit bloßen Händen in der Luft zerreißen. Er
hat uns diese Blamage eingebrockt.
1. Stammgast: Nein, das war nicht er, sondern dieser komische Präsident von
der Marianischen Männerkongregation. Er ist schuld an der ganzen Katastrophe.
2. Stammgast: Ja, dieser Mensch ist handgreiflich geworden und hat dem
Pfarrer eine hineingehauen. Damit hat das Unglück seinen Lauf genommen.
Diesen Scherben-haufen haben wir nur ihm zu verdanken.
Wirt: Nein! Der Mann war in Ordnung. Die Richter haben versagt. Sie sind
unser Unglück! Sie haben gegen alles Recht und gegen jede Ordnung
entschieden. Ihnen gehört der Prozess gemacht.
1. Stammgast: Ich sag' es noch einmal: Dieser Mann von der Männerkongregation hätte wirklich nicht zuhauen dürfen.
Wirt: Soll er vielleicht schweigen, wenn ein Pfarrer sagt: 'Die Evangelisten
lügen das Blaue vom Himmel herunter'?
1. Stammgast: Ich hab' nicht gesagt, daß er sein Maul halten muß.
Meinetwegen kann er sagen, was er will. Aber zuhauen hätt' er nicht brauchen. Damit ist er einfach zu weit gegangen.
2. Stammgast: Stimmt! Nur wegen seiner Handgreiflichkeit ist es zu diesem
peinlichen Prozess gekommen.
3. Stammgast: Wenn er dann wenigstens nachgegeben hätte. Aber nein! Er mußte
weiterprozessieren, bis zum bitteren Ende.
Wirt: Dieser Mann wollte nur das Beste. Darüber kann es überhaupt keinen
Zweifel geben.
1. Stammgast: Viel zu gut hat er es gemeint. Das ist ein Stück von der
Liederlichkeit. Wer es allzu gut meint, fällt auf die Schnauze. Das war schon immer so.
3. Stammgast: Der Ministerpräsident wollte seine absolute Mehrheit noch
weiter ausbauen. Jetzt hat die C-Partei verloren. Das hat niemand voraussehen können.
Wirt: Wer hätte das gedacht, daß die M-Partei so haushoch gewinnen würde.
Eine M-Partei, um die sich vorher kaum jemand gekümmert hat.
1. Stammgast: Diese einfache Behauptung: Das Christentum kann kein Irrtum
sein, war ein folgenschwerer Irrtum! Er hat der M-Partei die absolute
Mehrheit gebracht.
2. Stammgast: Ja, der Irrtum ist immer eine gefährliche Zeitbombe, die
niemand wahrhaben will. Sie tickt und tickt ganz leise und unaufhaltsam vor
sich hin. Dann kommt plötzlich der große Krach. Hernach ist alles anders. Die C- Partei war immer automatisch richtig. Die anderen immer falsch. Das war die Zeitbombe, die sie plötzlich in die Luft gesprengt hat.
3. Stammgast: Die M-Partei hatte gute Argumente. Mich haben sie überzeugt.
Dagegen war die C-Partei eine einzige Enttäuschung. Ich konnte sie nicht mehr wählen. Die Behauptung: 'Das Christentum kann kein Irrtum sein', hat mir das Kraut ausgeschüttet. Schon vor zweitausend Jahren wurde im Christentum gepredigt, daß der Weltuntergang unmittelbar bevor steht. Die Welt steht heute noch. Das ist ein Argument, das die C-Partei nicht widerlegen konnte. Einer von der M-Partei hat sogar auf Ananias und Saphira hingewiesen, die damals alles verkauft hatten, weil sie glaubten, daß morgen die Welt untergeht. Da ist der Sprecher von der C-Partei mit offenem Mund dagestanden.
2. Stammgast: Sogar das Königtum ist in diesem Wahlkampf zur Sprache
gekommen. Die Könige wären von Gott eingesetzt worden, hatte es immer
geheißen. Das ist ein weiterer Irrtum, auf den die C-Partei hingewiesen
worden ist. Ich kann nur sagen: Die Behauptung, daß das Christentum kein
Irrtum sein kann, ist der C-Partei zum Ver-hängnis geworden. Der
Ministerpräsident hat diese Niederlage selber heraufbeschwo-ren.
1. Stammgast: Der neue Ministerpräsident von der M-Partei hat dagegen sehr
viele Punkte gewonnen, als er sagte: 'Auch unsere Vorväter sind dann und wann neue Wege gegangen. Sie haben beispielsweise ihre Kreuzzüge eingestellt, als ihnen klar geworden war, daß es so nicht weitergehen konnte. Die Vernunft war hnen wichtiger, als das Vorbild ihrer Väter. Die Tradition hat eben auch ihre Grenzen. '
1. Stammgast: Und Recht hat er damit. Wir können doch heutzutage nicht mehr
an den Teufel glauben und Hexen verbrennen, nur weil es unsere Vorfahren
getan haben.
Wirt: Kaum zu glauben, daß ihm so viele C-Wähler die Stimme gegeben haben.
Das hat mich sehr enttäuscht.
2. Stammgast: Wir haben vieles aus der Vergangenheit völlig ungeprüft
übernom-men. Alles wurde für gut und richtig gehalten, nur weil es andere vor uns bereits für gut und richtig gehalten haben. Das war verkehrt. Damit wurde die Vergangenheit vergöttert und die Gegenwart vernachlässigt.
1. Stammgast: Mit der Behaupung: Das Christentum kann kein Irrtum sein, hat
die C-Partei das Zeitliche gesegnet und der M-Partei zum Sieg verholfen. Aber wißt ihr, was mich am meisten wundert? Das absolute Schweigen des Kardinals!
2. Stammgast: Kein Wunder. Dieser Mann hat die Hosen voll, seit gemunkelt
wird, daß der Pfarrer als Kultusminister in die Regierung soll.
1. Stamgast: Ich bin gespannt, ob sich dieses Gerücht bewahrheiten wird.
Wahr-scheinlich hat der Kardinal schon längst bereut, daß er den Pfarrer
exkommuniziert hat.
Wirt: Vielleicht ahnt er jetzt, daß mit der C-Partei auch die Kirche
gestorben ist. Zu mindest ihr Einfluß in der Öffentlichkeit.
2. Stammgast: Jetzt brauchst du bei der Fronleichnamsprozession nicht länger
als Himmelträger fungieren. Mit dieser Art von Stimmenfang ist es endgültig
vorbei.
1. Stammgast: Ob der Pfarrer wohl damals schon geahnt hatte, was er bei der
Beerdigung des Bürgermeisters von Egling alles in Gang setzen würde?
Wirt: Sicherlich hatte er sich noch nicht als Totengräber der C-Partei
gesehen. Als begnadeter Unruhestifter aber ganz gewiß!
2. Stammgast: Diese Gerichtsverhandlung war für ihn die beste Gelegenheit,
seine schockierenden Ansichten über die Religion unter die Leute zu bringen.
3. Stammgast: Was doch eine einzige Ohrfeige alles bewirken kann. Jedenfalls
hätte ich keinen Prozess angefangen. Das wäre mir die Sache nicht wert
gewesen.
2. Stammgast: Diese Watschn war doch nur der willkommene Anlaß darauf
aufmerksam zu machen, daß nicht alles wahr ist, was geschrieben steht. Das
ist ihm offensichtlich gelungen. Seither gibt es jede Menge von
Kirchenaustritten. Letzten Endes geht auch die Niederlage der C-Partei auf
seine Rechnung.
1. Stammgast: Neue Besen kehren gut. Für die M-Partei haben die
Menschenrechte absoluten Vorrang. Es gilt das strenge Verbot des
Waffenhandels. Der Krieg ist total geächtet. Für die M-Partei gibt es keinen
gerechten Krieg. Jeder Krieg ist in sich schlecht. Und noch etwas. Die
Kirchen bezeichnet der neue Ministerpräsident ausnahmslos als bloße
Einbildungsgesellschaften ohne jede Haftung. Ich war fasziniert, als ich ihn
dann sagen hörte: 'Der 30jährige Krieg ist noch nicht vorbei. Nur die Orte
der schrecklichen Ereignisse haben sich verändert. Noch immer kämpfen
Menschen der einen Religion gegen die Menschen einer anderen. Und das in
vielen Teilen der Welt. Der sogenannte wahre Glaube ist ein Unglück für die
Menschheit."
3. Stammgast: Dann seine Konsequenz: Das Wohlergehen jedes einzelnen Bürgers
und der Friede in der Welt machen ein Überdenken der Religion als eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts notwendig. In aller Offenheit und ohne
Scheu muß darüber nachgedacht und verhandelt werden. Da wird sich manches
ändern.
2. Stammgast: Wenn es nach mir geht, hat die Religion in der Öffentlichkeit
ohnehin nichts verloren. Für mich ist sie durch und durch Privatsache. So
ähnlich wie der Sex. Er gehört auch nicht in die Öffentlichkeit. In der
Religion sollte es ebenso sein. Alles ist menschlich! Auf keinen Fall
göttlich. Leider wissen das viele nicht. Sie halten die Religion immer noch
für göttlich. Mit diesem Irrtum sollte endlich aufgeräumt werden. Und das
nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt. Das habe ich aus den jüngsten
Vorkommnissen gelernt.
3. Stammgast: Mit der Kirche als reine Einbildungsgesellschaft liegt der
Ministerpräsi-dent durchaus richtig. Denn die Kirche produziert ihre
Glaubensartikel auch nicht viel anders, als die BMW ihre Autos.
1. Stammgast: Jedes Auto und jeder Glaubensartikel ist nichts anderes als
ein Produkt, das zuerst erdacht und schließlich hergestellt, und dann
vermarktet wird. Der Unterschied ist nur, daß die BMW für ihre Produkte
haftet, die Kirche nicht.
2. Stammgast: Auch eine kirchliche Einbildungsgesellschaft sollte für ihre
Produkte haftbar gemacht werden. Es sollte nicht so weitergehen, daß die
Kirche ihren Glauben anpreist, und dann nichts wissen will, wenn etwas schief
geht. Wer bittet, der empfängt und wer anklopft, dem wird geöffnet. Das sind
Verheißungen, die in der Heiligen Schrift angeboten und von der Kirche
vertrieben werden. Dafür sollte sie geradestehen müssen.
3. Stammgast: Von einem Missionar weiß ich, daß er dieses absolut vergebliche
Bitten der Gläubigen nicht mehr ausgehalten hat. Wegen der katastrophalen
Trockenheit hatten seine Leute endlose Bittprozessionen abgehalten. Alle
haben gebetet, was das Zeug hält. Aber geregnet hat es nicht. Die Maisfelder
total vertrocknet. Das Vieh nur noch Haut und Knochen. Hunger und Durst haben Mensch und Vieh langsam in den Tod getrieben. Jener Missionar war bitter enttäuscht. 'Bittet und ihr werdet empfangen. Klopfet an und es wird euch geöffnet.' Pfiffkas! Es klang wie reinster Hohn. Der Missionar hat dann die Konsequenzen gezogen. Mit den Missionsgeldern hat er Nahrungsmittel bestellt, und die Bibeln hat er dann einheizen lassen. Beim Abschied soll er gesagt haben: 'Ich hab' euch einen falschen Gott verkündet. Den Vater im Himmel gibt es nicht.'
1. Stammgast: Ich weiß von einem Triebtäter. Er sitzt schon viele Jahre in
Haft. Der Mann war regelmäßig in der Kirche. Die Leute waren schockiert, als
bekannt geworden war, was er getan hatte, weil er regelmäßig zur Kommunion
gegangen ist. Dieser Mann könnte Anklage erheben und sagen: 'Ich habe die
himmlische Arznei gegen die Sünde regelmäßig eingenommen. Ich habe mich auf
die Wirkung dieses Heilmittels verlassen. Es hat mir nicht geholfen.' Dieser
Mensch sitzt hinter Schloß und Riegel. Die Kirche müßte den angerichteten
Schaden wieder gutmachen.
2. Stammgast: Nur gut, daß sich schlechtes Gewissen, Sündenschuld und
Höllenängste als alleiniges Versagen der Kirche kaum nachweisen lassen, sonst käme eine endlose Prozesslawine auf sie zu. Die Ausgaben für erfolglos
verlaufene Wallfahrten und Opfergaben gingen in die Millionen.
|
|