Liebesnärrin
Die
Verse der indischen Dichterin und Mystikerin
im
März 2006 erschienen
aus dem Rajasthani übertragen von
Shubhra Parashar
mit umfangreichem Anmerkungsteil, Glossar und
Kurzessays zu Mirabai, Krishna und Bhakti
268 Seiten, Eur. 14,00, br..
ISBN 3-935727-09-7
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MIRABAI
Stimmen zu Mirabai
Ulrich
Holbein, in STORY, Heft 4, Juni 2007
Neue
Zürcher Zeitung, 10.3.2007 (Teil einer
Sammelrezension
indischer
Lyrik)
Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 30.9.2006
Ulrich
Holbein, in konkret
Kiran Nagarkar, der Autor
des Romans "Krishnas Schatten" ("Cuckold")
Neue
Zürcher Zeitung, 10.3.2007:
"Was
ist Gott und was ist Stein? - Indische Lyrik in
deutscher Übersetzung (Sammelrezension)
Mit «Mirabai
- Liebesnärrin» und «Kabir fand sich im Gesang» hat
sich der kleine Yin-Yang-Media-Verlag um zwei
wichtige Vertreter der Bhakti-Dichtung verdient
gemacht. Bhakti - Teilhabe an Gott - ist eine
panindische spirituell-religiöse Bewegung, die ihre
Wurzeln im 7. Jahrhundert in Südindien hat und vom
13. bis 17. Jahrhundert zahlreiche nordindische
Sants (Mystiker) hervorbrachte, die ihrer
ekstatischen Gottesliebe in den neu entstandenen
Regionalsprachen singend Ausdruck verliehen. Kabir
und Mirabai (15. bzw. 16. Jahrhundert) werden noch
heute verehrt, ihre Verse vorgetragen oder gemeinsam
gesungen.
Beide Bücher - Mirabai und Kabir - wurden von der
Indologin Shubhra Parashar übersetzt und
herausgegeben. [..]
Im Falle
Mirabais ist die Textgeschichte noch prekärer -
autobiografische Verse haben sich mit
hagiographischen vermischt, und je nach Versauswahl
erhält man ein anderes Bild ihres Lebens: Das der
rebellierenden Rajputenprinzessin, die in die Ehe
mit einem Rajputenprinzen einwilligt, deren Vollzug
aber verweigert und sich der traditionellen
Ehefrauenrolle widersetzt, um dem Gott Krishna zu
dienen und unstandesgemäss mit Wanderasketen und
anderen Krishna-Anhängern zu singen und zu tanzen,
ist die radikalste Variante. Mirabais Verse handeln
von ihrer intensiven, erotisch gefärbten Liebe zu
Krishna - der ihr mitunter nachstellt - und ihrer
brennenden Sehnsucht, wenn er sich entzieht. Sie
sind als Ragas notiert und wirken ungesungen und in
Übersetzung eher schlicht. Parashars freie
Übertragung folgt der textkritischen Ausgabe von
Caturvedi, unklar bleibt jedoch, warum gerade diese
202 Verse «als authentisch gelten können». Die
Herausgeberin hat sie mit Anmerkungen und einem
nützlichen Anhang versehen, wobei der biografische
Teil weniger kritisch ausfällt als in ihrer
Kabir-Ausgabe, weil er nicht deutlich macht, dass
wir es immer nur mit Lesarten zu tun haben."
Claudia Wenner
Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 30.9.06:
"Zwei
Kostbarkeiten bietet der Yin Yang Media Verlag an,
nämlich die Übersetzung zweier mittelalterlicher
Mystiker aus dem Hindi, Mirabai und Kabir, deren
Lieder bis heute in Indien als Kunst- und
Volkslieder lebendig sind. Mirabai ("Liebesnärrin")
wendet sich dabei an einen persönlichen Gott, an
Krishna, Kabir ("Kabir fand sich im Gesang") eher an
eine metaphysische Gottheit. Und es erstaunt, wie
ihre Gottesliebe abendländische Leser unmittelbar
anspricht."
Ulrich
Holbein, in "konkret",
Heft
Mai 2006
Krummes Jubiläum (16)
Mondlicht
tröstet
mich nicht
Zum
460.
Todestag der Rajputen-Prinzessin, Krishna-Gattin,
Bhakti-Dichterin Mirabai von Jodhpur
"Buchmesseschwerpunkt
Indien
naht zwar erst im September, und Chinas
USA-Überholung erst 2029, anders gesagt: Im
Mogulreich fixierten sich gewisse Königstöchter,
statt auf Profit, Milliardenlöcher, Integration oder
den letzten (80-millionenköpfigen) BRD-Mohikaner,
auf halbwegs andere Objekte, Mirabai ganz auf
Krishna. Als sie träumte, diesen flötespielenden
Gott und Dämonenbezwinger zu heiraten, hielt sie das
für einen Wahrtraum. Zur Hochzeit kamen 56 Millionen
Götter, eine selbst für Hindu-Demoskopen schwer
überprüfbare Ziffer – heutiges China hat zum
Vergleich 20 Mill. Pianisten, 80 Mill. Katholiken
und 40 Mill. Chinesen, die keine Frau finden! Als
Mirabai 1516 mit einem Königssohn der
Rajputen-Dynastie verheiratet wurde, verweigerte sie
nicht nur Hochzeitsnacht und Ehevollzug, was ihr
irdischer Gatte liebevoll akzeptierte, sondern
zudem, als dieser in der Schlacht von Ghatoli umkam,
die Witwenverbrennung; Begründung, als Gattin
Krishnas, den die Schlange des Todes nie beißt,
könne sie nie Witwe werden. Königsschmuck tauschte
sie mit Antilopenfell, wurde zur aschebestreuten
Asketin und singenden Wanderbettlerin, zum Entsetzen
ihrer Sippe, weil nun die Endloskette der
Ahnengeister abriß. Mordversuche perlten an ihr ab;
sie aber litt an ganz anderem, nämlich daß Krishna
nach jenem bombastischen Hochzeitstraum nicht mehr
zu ihr zurückkehrte. Hilfeschreie ertrinkender
Elefanten erhörte der Gott angeblich durchaus, nicht
aber Mirabais Sehnsuchtsschreie. Ohne ihn fühlte sie
sich burned out, klein, hohl, tot. Sie rühmte seine
krokodilförmigen Ohrgehänge und bot ihm, innerhalb
ihrer Lieder, ihr Kopfhaar als Thron, was Krishna
aber nicht locken konnte. Im Zen-Buddhismus heißt
solch ein Zustand ‚niwa-zume‘, Stehngelassenwerden
im Vorhof. Flaschenpost an Krishna gab sie einem
Raben mit. Verzweifelt forderte sie Krishna auf, ihr
ihre Vergehen zu nennen – und der Gott nannte keine,
blieb stumm und aus, ließ sich nicht erweichen,
zeigte kalte Schultern, nicht einmal solche. In
ihren Entzugsschmerzen warf sie ihrer göttlichen
Droge vor, sie spende keinen Kick mehr. Alle
profanen Verstickungen abgestreift, um sich
überirdisch desto mehr zu verstricken. Mirabai,
marastisch sich verzehrend, suchte Erklärung: Hatte
er eine andere!? Wollte er genauso heftig zu ihr wie
sie zu ihm und fand nur den Rückweg nicht? Durch
Hungerstreik versuchte sie seine Aufmerksamkeit zu
erringen. Krishna aber ließ sich moralisch nicht
unter Druck setzen. Göttliche Phantomschmerzen, die
schlimmer peinigten als echte profane Schmerzen,
trimmten und weihten sie zur Dichterin. Krishna,
unrührbar, quittierte selbst ihre schönsten
Locklieder mit Abwesenheit. Sie wartete trotzdem
weiter. Ihr Lebensinhalt: Warten auf Krishna.
Ausgerechnet seine hingegebenste Jüngerin flehte ins
Leere. Ihre Vorwürfe, er streue Salz in ihre Wunden,
klangen wie ehliche Schmutzwäsche. Selbst ihr
ergrauendes Haar schob sie auf Krishnas
dauerhaft hartherzig rätselhafte Entferntheit. Hätt
es ihn etwas objektiver gegeben, wär er nicht so
wenig kooperativ gewesen. Ohne ihn weiterleben, kam
subjektiv nicht in Frage, und mit ihm leben,
objektiv erst recht nicht. Aufgeklärte,
psychologische Ferndiagnose: Obsessiver Umgang mit
imaginärem Gefährten, garantiert therapieresistent.
Sie reagierte und funktionierte nicht psychotisch
genug, um häufiger eines göttlichen Anhauchs oder
Feedbacks gewürdigt zu werden. Mirabai, lebenslang
Gottesbraut, Strohwitwe, verlassenes Mägdelein und
Jungfrau in einem, drehte sich um ihren Fixpunkt wie
vorher Laotse um Dao, Gotik um ‚got‘, Heidegger ums
Sein, Manchester-Kapitalisten um Dollars, Marxisten
um Marx, Sexisten um Sex, Katholiken um Rom,
Dadaisten um Dada, und die ISKCON (International
Society for Krishna Conciousness) um Krishna, und
eine Spirale um ihre Mittelachse, ein Rad um seine
Nabe, und Stephen Hawking um schwarze Löcher, und
Planeten um die Sonne, und Elektronen um Nukleonen.
Religionshistorisch gleicht Mirabai europäischen
Minnemystikerinnen und Jesusbräuten;
literaturhistorisch gilt sie als eine der weltweit
ersten Dichterinnen, die nicht nur traditionell
vorgegebene Motive aufgriff, sondern die später sog.
„subjektive Befindlichkeiten“ anklingen ließ. 202
Lieder der Liebesnärrin Mirabai von Jodphur wurden
soeben erstmals aus dem Rajasthani ins Deutsche
übertragen, im YinYang Media Verlag.
Daß
Mondlicht nicht mehr tröstet, galt damals wohl als
besonders bedenkliches Symptom. Heut leiden
Milliarden Chinesen usw. eher daran, daß weder Hartz
noch Karriere noch Therapie noch Rendite noch
taktile Reizüberflutung noch 56 Millionen
Krishna-Äquivalente trösten können, geschweige denn
Mondlicht."
Kiran
Nagarkar, der Autor des Romans "Krishnas
Schatten" ("Cuckold" = Hahnrei) *)
"Krishnas Schatten" ist ein Roman um Mirabai,
geschrieben aus der Sicht ihres irdischen Ehemannes.
Der Roman ist eingebettet in die kriegerischen
Auseinandersetzungen der nordindichen Fürstentümer am
Vorabend der Eroberung durch Babur und Akbar, den
Begründern der Mogulnherrschaft.
Im Nachwort schreibt Nagarkar zu Mirabai:
"In Indien müssen Heilige nicht unbedingt wie im
Abendland zölibatär leben. Ebenso wenig haben sie
Wunder zu vollbringen, um kanonisiert zu werden. In
der mystischen bhakti-Tradition, die einen scharfen
Bruch mit der totalitären brahmanischen Kontrolle
Gottes und des religiösen Rituals bedeutete, hatte
jeder - von den Angehörigen der höchsten
hinduistischen Kasten über Kaufleute bis hin zu
Bettlern und Unberührbaren wie Abdeckern, Schustern
und Töpfern - direkten Zugang zum Allmächtigen.
Glühende Hingabe war alles, was man benötigte, und
schon gehörte einem Gott. Ein spezifisches Merkmal
dieser intimen Beziehung zu Gott - er wurde mit den
verschiedensten Namen angerufen, wie Rama, Vitthal,
Krishna, Shiva - war der Umstand, dass die
Bhakti-Mystiker überall in Indien ein fast zwanghaftes
Bedürfnis verspürten, sich mit dem Herrn in
dichterischer Form auszutauschen. Viele von ihnen
schrieben wirklich große Poesie: lyrisch,
leidenschaftlich, umgangssprachlich, erhaben,
tiefernst, humorvoll, romantisch, streng, komplex,
verspielt. Das Thema war immer dasselbe: Er. Er war
Vater, Kumpel, Geliebter, Gefährte, Seelenfreund. Er
war kein hoher Herr. Man konnte ihn necken,
herumkommandieren, zu jeder Tages- und Nachtzeit
belästigen. Man konnte all diese Dinge mit ihm tun,
weil man von der Einheit Gottes überzeugt war; davon,
dass keinerlei Grenze zwischen Ihm und einem selber
existierte.
Kabir, Jnaneshvar, Krishna Chaitanya, Tyagaraja,
Tukaram, Lalla, Namdev, Narsi Bhagat. Und dann war da
noch die Kleine Heilige, Mirabai. Anders als alle
anderen Bhakti-Heiligen war sie von hoher Geburt, eine
Prinzessin. Sie wurde um 1498 geboren und 1516 mit
Rana Sangas Sohn verheiratet, dem Maharaj-Kumar Bhoj
Raj. Ihre Affaire - auch wenn mit einem Gott - war ein
Skandal. Mira war im Palast deshalb ständigen
Anfeindungen ausgesetzt. In einem der ihr
zugeschriebenen Lieder ruft sie den göttlichen
Flötenspieler Krishna an, dass Er sie vor ihrer
Schwägerin, ihrer Schwiegermutter und dem Rana retten
möge. Möglicherweise versuchten sie wirklich, wie die
Tradition berichtet, sie zu vergiften.
Es ist unmöglich, aus dem Wust von Sagen und Legenden,
die sich mit der Zeit um ihren Namen rankten,
gesicherte biographische Daten herauszufiltern. Die
indische Vorstellungskraft ließ sich von der
romantischen Geschichte der Prinzessin, ihres
göttlichen Geliebten und ihrer Leiden unter der
angeheirateten Verwandtschaft nur zu gern beflügeln.
Mirabai war eine recht produktive Dichterin. Ihre
Liebesgedichte hatten bekenntnishaften Charakter und
haben bis in die Gegenwart unzählige Nachahmer
gefunden. Ihre Metaphern, Wendungen und ihr gesamtes
Werk sind Bestandteil des Wortschatzes und der
Gedankenwelt jedes modernen Inders. Ihr Bild begegnet
uns nahezu auf Schritt und Tritt. Krishna ist der
Yogi, sie ist die Yogin, die Verehrerin. Sie ist stets
weiß gekleidet und zupft ein einsaitiges Instrument.
Sie blickt nie auf die äußere Welt. Sie ist in ihrem
Gott verloren und tanzt in Trance vor Ihm. Die Kleine
Heilige wurde bekanntlich zu einer sehr großen
Heiligen.
Das Maß aller Dinge ist in Indien das kommerzielle
Kino. Die indische Filmindustrie besinnt sich in
regelmäßigen Abständen immer wieder auf die Kleine
Heilige. Die Krishna-Sekten einschließlich der
Hare-Krishna-Bewegung verdanken Mirabai nicht wenig.
In den 80er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde
sie, wie Jeanne d'Arc, als frühe Feministin entdeckt.
Mira ist Gegenstand von Ballett- und Theaterstücken,
von Dichtung und Malerei. Ihre Bhajans, Liebeslieder
und anderen poetischen Werke werden in ganz Indien
gesungen. Die anderen großen indischen Bhakti-Heiligen
mögen intellektuell mehr zu bieten haben, doch ihr
Ruhm ist zumeist regional begrenzt. Miras Name
hingegen ist praktisch jedem Inder geläufig."
*) lieferbar als
List-Taschenbuch:
Kiran Nagarkar
Krishnas Schatten
Roman
703 Seiten, € 10,95 [D]
ISBN: 3548604641
Zur
deutschen Erstausgabe
Mirabai Kostproben
Über Mirabai
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