Band 1: Die
chinesische Flöte
DER TANZ DER GÖTTER
LI-TAI-PO
Zu
meiner Flöte, die aus Jade ist,
Sang
ich den Menschen tief bewegt ein Lied, –
Die
Menschen
lachten, sie verstandens nicht.
Da
hob ich schmerzvoll meine Flöte, die
Aus
Jade ist, zum Himmel auf und brachte
Mein
Lied
den Göttern dar. Die Götter waren
Beglückt
und huben auf erglühnden Wolken
Nach
meinem
Lied zu tanzen an . . .
Nun
singe ich mein Lied den Menschen auch
zur
Freude;
nun verstehen sie mich auch,
Spiel‘
ich
das Lied auf meiner Flöte, die
aus
Jade ist . . .
DAS BLATT DER FRÜHLINGSWEIDE
TSCHAN-TIU-LIN
Nicht
deshalb lieb ich jene junge Frau,
Die
träumerisch
an ihrem Fenster lehnt,
Weil
sie den ragenden Palast besitzt
Am
Gelben
Flusse, – nein, ich liebe sie,
Weil
sie dies kleine Blatt der Frühlingsweide
Ins
Wasser
gleiten ließ . . .
Nicht
deshalb liebe ich den Ostwind, weil
Er mir den holden Duft der Birnbaumblüten
Herüberträgt
von blumig weißen Höhen, –
Nein,
weil
er mir das Blatt der Frühlingsweide
An
meinen
Kahn trieb, – darum lieb ich ihn!
Nicht
deshalb lieb ich dieses kleine Blatt
Der
Frühlingsweise,
weil es mir die Wonnen
Des
Lenzes
bringt, – nein, weil die junge Frau
Mit
einer
feinen Nadel meinen Namen
Hineingeritzt
hat, – darum lieb ich es!
DIE JUNGEN MÄDCHEN VON EINST
WANG-TSCHANG-LING
Von
einst die jungen Mädchen ruhen sich
In
blühendem
Gebüsch und plaudern leise.
„Man
sagt,“ so flüstern sie, „wir seien alt,
Und
unsre
Haare seien weiß geworden,
Und
unsre
Gesichter seien nicht
Mehr
süß
und strahlend wie der junge Mond.
Was
wissen
wir davon? Die also sprechen,
Tun es aus Schmähsucht. Kann man selber sich
Denn
sehen!
Freundinnen, nicht unter uns –
Nein,
in dem Spiegel herrscht der böse Winter,
Der
weißen
Schnee auf unsre Haare schüttet
Und
unsre
Mienen alt erscheinen läßt.
Nur
in dem Spiegel herrscht der böse Winter . . .“
Das Trinklied vom Jammer der Erde
Li Tai Po (gelesen von Bernhard
Minetti:
- Audio)
Schon
winkt der Wein in goldenen Pokalen, –
Doch
trinkt
noch nicht! Erst sing ich euch ein Lied!
Das
Lied vom Kummer soll euch in die Seele
Auflachend
klingen! Wenn der Kummer naht,
So
stirbt
die Freude, der Gesang erstirbt,
Wüst
liegen die Gemächer meiner Seele.
Dunkel
ist das Leben, ist der Tod.
Dein
Keller birgt des goldnen Weins die Fülle,
Herr
dieses
Hauses, – ich besitze andres:
Hier
diese
lange Laute nenn ich mein!
Die
Laute
schlagen und die Gläser leeren,
Das
sind zwei Dinge, die zusammenpassen!
Ein
voller
Becher Weins zur rechten Zeit
Ist
mehr wert als die Reiche dieser Erde.
Dunkel
ist das Leben, ist der Tod.
Das
Firmament blaut ewig, und die Erde
Wird
lange
feststehn auf den alten Füßen, –
Du
aber, Mensch, wie lange lebst denn du?
Nicht
hundert
Jahre darfst du dich ergötzen
An all dem morschen Tande dieser Erde,
Nur
Ein Besitztum ist dir ganz gewiß:
Das
ist das Grab, das grinsende, am Ende.
Dunkel
ist das Leben, ist der Tod.
Seht
dort hinab! Im Mondschein auf den Gräbern
Hockt
eine
wild-gespenstische Gestalt.
Ein
Affe ist es! Hört ihr, wie sein Heulen
Hinausgellt
in den süßen Duft des Abends?
Jetzt
nehmt
den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!
Leert
eure
goldnen Becher bis zum Grund!
Dunkel
ist das Leben, ist der Tod.
(Dieses Gedicht und
sechs weitere inspirierten Gustav Mahler zu seinem
"Das Lied von der Erde)
weitere
Gedichte,
gelesen von Bernhard Minetti:
Die geheimnisvolle Flöte
Li Tai Po
An
einem Abend, da die Blumen dufteten
Und
alle Blätter an den Bäumen, trug der Wind mir
Das
Lied einer entfernten Flöte zu. Da schnitt
Ich
einen
Weidenzweig vom Strauche, und
Mein
Lied
flog, Antwort gebend, durch die blühende Nacht.
Seit
jenem Abend hören, wann die Erde schläft,
Die
Vögel
ein Gespräch in ihrer Sprache.
Band 2:
Die Lieder und Gesänge des Hafis
Die Lieder und Gesänge des persischen
Sängers
GENESUNG
Der
dummen Weisheit und der albernen Tugend
War
ich zu lange nachgegangen, – nun
War
ich gar müde meiner jungen Tage.
Da
kamest du und sprachest: Her zu mir!
Bei
mir ist heitre Torheit! Pflücke dir
Die
Sünde
ab von meinen Rosenlippen
Und
meinen
Brüsten, die vor Jugend starren!
Da
kam ich, voller Glück, daß du mir hold warst,
Und
tat, wie du geheißen – und genas.
DIE
HIMMELSBOGEN (gelesen von Regina
Berlinghof
-
Audio)
Ich
kniete nieder zum Gebet und wandte
Den
Blick
zum Himmel: doch ich sah nur immer
Die
Brauen
deiner Augen, – stets nur sie.
Die
Schönheit dieser kleinen Himmelsbogen
Nahm
völlig
mir die Aussicht auf den großen
Azurenen
Himmelsbogen
Allahs. Lächelnd,
Ganz
außerstande, meinen Geist zu sammeln,
Erhob
ich
mich und ließ das Beten sein.
DER VERLIEBTE ZECHER
Es
lehrt die Nachtigall zur Rosenzeit
Weisheit
der
Liebe mit gar süßem Schalle, –
Und
Hafis
lauscht beseligt ihrem Flöten.
Er
schreibt in Versen nieder seine Meinung –
Und
sie ist: Wein in blühendem Rosengarten
Und
dazu eine Freundin lachenden Munds!
O
Wein und Liebe! Herrlichste der Güter, –
Was
wäre
diese Erde ohne eure
Entzückung!
Eine Wüste voller Qual!
Ich
flehe auf zum Himmel: Allah, nimmer
Erlöse
mich aus diesem süßen Banden,
Die
sie die Sünde nennen: Wein und Liebe!
KOSTBARKEITEN
Das
sind die Kostbarkeiten dieser Erde:
Ein
Saitenspiel, ein Becher Wein, ein Tanz
Schlankbeiniger
Mädchen, einer Liebsten Gunst
Und
dann ein Schweigen – ja, ein tiefes Schweigen.
weitere
Hafis-Gedichte, gelesen von Regina Berlinghof
Band 3:
Japanischer Frühling
TÄUSCHUNG
YORIKITO
Ich
glaubte, daß die weißen Blüten
Des
Frühlings
mir entgegentrieben.
Ich
irrte mich. Es war das Glänzen,
Das
Liebesglänzen
deiner Schönheit.
BITTE AN DEN HUND
UNBEKANNTE DICHTERIN
Wenn
mein Geliebter in der Nacht
Den
Binsenzaun
durchbricht und leise
Zu mir hereinsteigt, – Hund, ich rate
Dir
ernstlich:
hülle dich in Schweigen,
Verrate
ihn
den Leuten nicht, –
Es
soll dir gut gehn, lieber Hund!
TRÜBSINN
MITSUNE
Du
flohest in die Berge, voller Haß
Gegen
die
Welt. Wenn in den Bergen nun
Dich
auch
der dunkle Trübsinn überfällt, –
Wohin
dann
willst du weiter fliehn, o Freund?
LIEBE
UNBEKANNTER DICHTER
Die
Liebe rast durch meine Brust,
So wie durch weite, dunkle Wälder
Ein
Berggewässer
unterm Laub
Der
ungeheuren
Bäume rast.
Die
Fichte trotzt auf Felsenhöhen
Fast
ohne
Nahrung Wind und Wetter.
Die
Liebe
braucht noch weniger Reichtum,
Um
froh zu trotzen aller Welt!
Band 4:
Arabische Nächte
AN EINE SÄNGERIN
AUS TAUSEND UND EINE NACHT
Du
wundervolle Frau schlägst die Gitarre
Mit
deiern
Finger zarten Spitzen, und
Die
Seelen
sind ergriffen bis ins Tiefste.
Du
singst: und deine zauberhafte Stimme
Verleiht
den
Tauben ihr Gehör zurück,
Und
selbst
der Stumme ruft: O herrlich! herrlich!
TÖTENDE LIEBE S. 24
KALIF YAZID IBN MOAUJA
Ich
habe auf den Knien um ihre Liebe
Sie
angebettelt.
Darauf sagte sie:
Weißt
du denn nicht, daß alle, die im Traume
Mich
zu besitzen meinen, beim Erwachen
Verzweifelt
sterben, weil sie nun erkennen,
Daß
sie mich n i c h t besitzen? Ach, zu viele
Sind
hingesiecht,
aus Leidenschaft zu mir,
Bis in den Tod. Die andern, die nicht wagten
Mir
ihres
Herzens Qualen zu gestehen,
Sind
fortgereist
und kehrten nie zurück...
Und
ich entgegnete: Ich bitte Gott
Um
Nachsicht
für die Glut, die in mir lodert,
Und
werde
standhaft und voll Muts beharren
Bei
meiner
Liebe, die dich ganz umschlingt.
Und
dann verließ sie mich. Und ich stand da
Wie
ausgedorrt,
ein abgestorbener Baum.
DIE
MACHT DER LIEBE (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
HARUN AL RASCHID
Drei
holde Wesen lenken mich, nachdem sie
Die
Zügel
an sich rissen. Allen Raum
In
meinem
Herzen haben sie besetzt.
Ein
ganzes Volk gehorcht mir. Wie ist’s möglich,
Daß
jene drei sich mir nicht beugen wollen
Und
daß
ich selber ihnen dienstbar bin?
Ich
seh es ein: die Macht der Liebe ist
Gewaltiger
als alle andre Herrschaft,
Selbst
als
die Macht auf einem Königsthron.
Band
5: Das türkische
Liederbuch
HÖCHSTE
LIEBE (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
SULTAN SELIM I.
Fürwahr,
es ist so weit mit mir gekommen,
Daß,
wenn es nicht verruchter Frevel wär,
Ich zu ihr spräche, voller Anbetung:
„Wo
Gott ist? Hier bei dir. Du bist es selbst."
NICHT ABZUWEISEN
NEFI
Du
fragst nicht, ob mein Herz die Wunden
Aushält,
die ihm die Liebe schlägt.
Nimmst
du
so wenig teil, o Schöne,
An
deines
Freundes Liebesqual?
Was
tun? Dein Freund kennt keine Mittel,
Sein
heißes
Herz in Zaum zu halten.
Er
knüpft
sein Herz an deine Haare
Und
folgt
dir ewig, ewig nach...
NABI
Da
bitten sie um Wein aus den geliebten
Gar
wundervollen
Händen dieser Schönen.
Sie
könnten ebenso um Wasser bitten
Aus
sommerlicher
Glut des Sonnenstrahls.
Band 6: Die
indische Harfe
WINTER
KALIDASA
Die
Mädchen sehn auf ihre stolzen Glieder
Mit
Lust hinab: da hat der Liebst sie
Umarmt,
geküßt.
Mit einem leisen Dehnen
Des
Körpers
gleiten sie in ihre Kleider,
Hinlugend
durch das aufgelöste Haar.
SOMMER
KALIDASA
Der
Duft nach Sandel, den die seidnen Fächer
Über
die Brüste schöner Frauen wehn,
Die
Perlen
auf der braunen Haut, Gesänge,
Der
Klang
der Harfen und das Lied der Vögel –
Das
alles
weckt den Gott der Liebe auf,
Und
neue Lust und neue Qual beginnt.
VIEL LIEBER
BHARTRIHARI
Viel
lieber laß ich mich von einer Schlange,
von
einer
länglichen, beweglichen,
Die
bläulich
schimmert wie die Lotosblumen,
Anblicken,
als von eines Weibes Aug,
Das
auch so blau erstrahlt: Bin ich gebissen,
So
find ich sicher einen Arzt, der gerne
Mich
heilen
wird; wer aber heilt mich wohl
Vom
Liebesblicke
einer schönen Frau?
IMMER MEHR
BHARTRIHARI
Ist
sie nicht da, so wünscht man Eines nur:
Daß
sie erscheine. Wenn sie dann erschien,
So
wünscht
man Eines nur: sie zu umarmen.
Und
hat man sie umarmt, so wünscht man wieder
Nur
eines:
mit ihr selig Eins zu sein.
ZU GLEICHER ZEIT
AMARU
„O
Freundin! Da die Liebe meines Liebsten
So
launenhaft
und unbeständig ist,
Kehr
ich mich ab von ihm. Der Liebesgott
Mag
mir das Herz zerbrechen, – mit dem Freunde
Hat
meine
Seele fürder nichts zu gemein.“
Laut
sprach es die Gazellenäugige
Im
Übermaße
ihres Zorns. Jedoch
Zu
gleicher
Zeit ließ sie voller banger Unruh
Den
Blick
auf jenen Weg hinüberschweifen,
Der
meistens
den Geliebten zu ihr trug.
DER RAT DER FREUNDIN
AMARU
„Einfältige!
Sei doch so selbstlos nicht
Zu dem Geliebten! Sei verschlagnen Sinnes
Und
zeige
Selbstgefühl und nahe dich
Dem
Freunde
nicht auf allzu geradem Weg!“
Entsetzen
faßte sie, da ihre Freundin
So zu ihr sprach, und sie erwiderte:
„Sprich
leise,
bitte, der Geliebte wohnt
In
meinem
Herzen, – o nicht auszudenken,
Wenn
er den Frevel deines Rats vernähm!“
GLEICHNIS
AUS DEM SCHRINGARATILAKA
Dies
Mädchen ist ein Jäger: ihrer Augen
Gewölbe
Brauen dienen ihr als Bogen,
Die
Blicke
ihrer Augen sind die Pfeile,
Und
die Gazelle, die sie jagt: mein Herz.
Band 7: Pfirsichblüten aus China
ERKENNTNIS
SONG-TSCHI-WEN
Der
Regenstrom, der vom Gebirge kam,
Zerstob
zugleich
mit dem Gewitterwinde,
Und
groß
und strahlend trat die Sonne vor.
Die
Wälder in dem Tale schienen grüner
Und
herrlicher
als je. Ich schritt zum Tempel,
Wo
mich ein würdiger Priester still empfing.
Die
irdischen Gedanken warf ich ab
Und
einte
mit dem heiligen Mann mich,
Der
letzten
Weisheit Lehren zu betrachten.
Wir
sprachen, sprachen, – und zum Schlusse war
Erschöpft,
was wir mit Worten sagen konnten,
Ich
sah die Blumen schweigend um uns stehn.
Die
Vögel hörte ich, die über uns
Im
Himmelsraume
schwebten, – wunderbar
Tat
sich die große Wahrheit vor mir auf.
JUGEND
LI-TAI-PO
Ein
sorgenloser Jüngling, der am Wege
Der
kaiserlichen
Grabdenkmäler wohnt,
Verläßt
auf weißem Hengste stolz sein Haus.
Er
bringt das Tier, an dessen Sattelzeug
Geputztes
Silber funkelt, in Galopp
Und
reitet
froh durch weichen Frühlingswind.
Unter
des Schimmels Hufen wirbeln Wolken
Von
Blütenblättern
auf. Ein hoher Teppich
Von
bunten
Blüten füllt den ganzen Weg.
Nun
reitet er im Schritt. Er weiß nicht recht,
Wo er verweilen soll. Er blickt umher, –
In
seinem
Aug ist Unentschlossenheit.
Da
dringt das leichte Lachen einer Frau
Aus
einem
Blütenbusch. Er stutzt, er hält.
Nun
weiß
er gleich, wo er verweilen soll!
DER JAHRES TAG
TSUI-RU
Von
einem Jahr, am gleichen Tag wie heut,
Sah
ich im Rahmen dieser Tür ein Bild:
Da
war ein zartes Frauengesicht
Und
eines
Pfirsichbaumes Blütenzweig.
In
einen Sonnenstrahl gebadet, einten
Die
beiden
sich zu feinem rosa Glanz.
Wo
aber ist an diesem Frühlingstag
Das
vielgeliebte
Antlitz? Wehe, nur
Der
Blütenzweig des Pfirsichbaums ist da.
Er
lächelt
durch den Frühlingswind. Mich friert.
DAS MÄDCHEN AM FENSTER
SCHÜIN-LING
Sieh,
aus dem dunkeln Hintergrund des Fensters,
Das
eingerahmt
von Frühlingsblumen ist,
Taucht
zart
und süß ein junges Mädchen auf.
Sie
neigt nach vorne sich, erst halb bekleidet,
Die
jugendliche
Haut ist hell wie Neuschnee,
Jetzt
strahlt
sie klar über dem Sims aus Stein.
Von
ihrer Kleidung ist fast nichts zu sehen,
Nur
ihres
Haares Schmuck ist schon beendet,
Die
Augenbrauen
zeigen Halbmondform.
Mit
einer kleinen Kanne aus Metall,
Die
zärtlich
sie in ihrer Rechten hält,
Gießt
sie die Blumen, neigt sich hin und her.
Wir
gerne würde ich an ihrer Stelle,
Indes
sie
still an meiner Schulter lehnte,
Die
Blumen
gießen morgens und am Abend!
WUNSCH
LI-HUNG-TSCHANG
O
Drachengott! Der Du dem uferlosen,
Gewaltigen
Meer des Todes als Beherrscher
Vorstehst,
hör zu:
Wenn
ich dereinst in glühnder Träumerei
am
Herzen
meiner Freundin ruh, berauscht
Von
ihrem
Atem, – dann erscheine, nimm
Mich
und die Herrliche samt ihrem Atem
Und
führ
uns fort auf Deinem Geisterschiffe,
Daß
so wir in die Ewigkeit entschweben,
Von
Liebe
trunken, selig, eng vereint!
Band
8: Omar Khayyam
Von der Freiheit
Weißt
du, o Freund, warum wir die Zypresse
Den
Baum der Freiheit nennen und die Lilie
Der
Freiheit
Blume heißt? Wohl hundert Arme
Von
stolzem
Wuchs hat die Zypresse, dennoch
Greift
sie
nicht zu. Zehn Blütenblätter hat
Die
Lilie,
das sind Zungen, dennoch redet
Sie
nicht
ein Wort. Ahnst du, was Freiheit ist?
Glaubensbekenntnis
Ich
zieh es vor, mit einem hübschen Mädchen
Die
Zeit in einem Weinhaus zu verplaudern
Als
ohne sie zu beten in der Kirche.
Und
ich bin kühn genug, verzeih mir, Gott,
Dies
ehrliche
Bekenntnis meines Glaubens
Dir
vorzutragen
ohne Scham und Scheu.
Die Gegensätzlichen
Wie
lange noch, du frömmelnder Asket,
Wirst
fluchen
du auf mein bescheidnes Glück,
Das
mir dein neidgeschwollnes Herz mißgönnt?
Sehr
anders sind wir beide, das ist wahr:
Du
heuchelst
frommen Sinn beim Rosenkranze,
Ich
trinke
Wein und denke nichts als Liebe
Es
scheint mir klüger... (gelesen
von Regina Berlinghof - Audio)
Es
scheint mir klüger, edeln Wein zu trinken
Und
hübsche
Mädchen um die Brust zu fassen
Als
heuchlerisch
ein Tugendbold zu sein.
Wenn
wirklich alle Trinker und Verliebten
Zur
Hölle
müssen, wie geschrieben steht, –
Ist
dann ein Mensch zu finden, der Lust hat,
Einsam
ins
öde Paradies zu ziehn?
Viel
köstlicher (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
Viel
köstlicher als aller Ruhm der Erde
Ist’s,
einen
Trunk aus vollem Glas zu tun;
viel
köstlicher
und Gott gefälliger
Als
frommes
Plappern ist der Hauch des Glückes,
Der
leis vom Munde der Verliebten weht.
Sünden
Du
hast die Schlange uns beschert im Paradiese,
Du
suchst
uns, Gott, durch schreckliche Versuchung heim;
Vergib
die
Sünden, die belasten unser Leben, –
Auch
deine
Sünden seien dir vergeben!
Über allem die Liebe
Wenn tief in deiner Brust
die Liebe wohnt,
So ist es gleich, ob du zu Allah betest
Oder
zum Gott der Ketzer: ward dein Name
Ins
goldne Buch der Liebe eingetragen,
Unwichtig
ist dir’s, ob du einst belohnt
Oder
bestraft wirst in der Ewigkeit.
weitere
Omar-Khayyam-Gedichte, gelesen von Regina
Berlinghof
Band
9: Die armenische Nachtigall
Die Lieder des Nahabed Kutschak und
anderer armenischer Dichter
AN
KÖNIG DAVID (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
O
König David, mächtiger Prophet:
Dir
beicht
ich meine Sünden, denn ich hoffe,
Durch
deine
Gnade wird Verzeihung mir.
Ein
Mädchen lieb ich, zart wie eine Blume,
Ich
liebe
sie wie meine beiden Augen,
Sie
ist schön, daß, wenn sie zu dir käme,
Du sie in deine Kammer ließest ein;
Tagsüber
würdest du die schönsten Psalmen
Zu
ihrem Lobe singen; doch die Nächte
Verbrächtest
du im reinsten Glück mit ihr.
GEBURT UND TOD
Am
Tag, da du geboren wurdest, weintest du,
Indessen
alle,
die dich sahn, voll Freude waren.
Ich
weiß:
die Tage deines Lebens sind so rein,
Daß
du dereinst, wenn deine Todesstunde naht,
Wirst
lächeln
dürfen, während alle, die dich kennen,
In
Tränen
sind aus tiefem Gram um dich.
RACHE AM HAHN
Kaum
daß wir liebend uns umschlungen hatten,
Da
rief der Hahn und kündete den Morgen
Mit
seinem
unmelodischen Geschrei.
Das
Messer
diesem Vieh und an den Bratspieß
Und
Feuer
angelegt, um ihn zu rösten!
Dann
wollen
wir ihn nehmen und ins Tal
Hinüberwandern,
ihn in Stücke teilen
Und
ihn verzehren, einsam, du und ich.
Aus
seinen weißen Knochen aber wollen
Wir
einen
kleinen Liebestempel bauen,
Und
seine
bunten Federn sollen bilden
Des
kleinen
Liebestempels Kuppeldach...
BEICHTE
Niemals,
solang ich meiner teuren Mutter
Das
Leben
danke, hab ich einem Priester
Gebeichtet;
immer, wenn ich einen sah,
Wich
ich ihm aus und wandte mich beiseit.
Stets
aber,
wenn mein Aug ein schönes Mädchen
Erspähte,
trat ich ihr mit offnen Armen
Entgegen,
und ihr weißer Leib ward mir
Zur
Kirche,
und gebeichtet habe ich
Mit
Andacht
ihrer liebewarmen Brust.
Band
10: Der asiatische Liebestempel
DIE
LIEBE. (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
RAHCHAN KAYIL (AFGHANISTAN)
Am
schönsten strahlt der Herr des Himmels
Sein
Wesen
in der Liebe aus.
Der
Liebe
höchste Augenblicke,
Wenn
sie auch schnell vorüberrauschen,
Umschließen
jeder schauervoll
Die
ganze
dunkle Ewigkeit.
ZURÜCKGEWIESENE WERBUNG
ANNAM
Ich
habe meinen Zähnen Glanz verliehen,
Damit
ich
einen Gatten finde. – „Mädchen,
Das
trifft
sich gut, -- ich suche eine Frau!
Wie
wär es, wenn wir beide uns vereinten?
Begleite
mich!
Wir wollen Hochzeit machen
In
meinem
Dorfe, das Mo-Lao heißt!“
Wenn
Äste am Bananenbaume wachsen,
Wenn
an den Zwiebelstauden Rosen blühen
Und
wenn die Turteltaube ihre Eier
Ins
Wasser legt und in das Laub der Bäume
Der
Aal emporsteigt, um sein Nest zu bauen, --
Dann
will
ich kommen, euer Weib zu sein!
HÖCHSTE GLÜCKSELIGKEIT
BURMA (gelesen
von
Regina Berlinghof - Audio)
So
wie ein Tropfen Tau, der von der Brust
Der
duftenden,
verliebten, an die ganze
Schöpfung
mit Inbrunst hingegebnen Nacht
Hinabfällt
auf die jungfräuliche Rose
Und
dort in seiner winzigen Weltenkugel
Das
ganze
Werk des Brahma widerspiegelt,
Den
ganzen
Himmel und die ganze Erde:
So
strahlt der Tropfen Tau, den deine Liebe
Auf
meines
Herzens Blütenblatt gesendet,
Den
goldnen
Himmel wieder, den die Seele
Sich
so ersehnt: das himmlische Nirwana.
Durch
deine
Liebe durft ich schon auf Erden
Die
höchste
Lust der überirdischen Wonne
Empfinden;
durch den Zauber deiner Liebe
Hab
ich erkannt, daß meines Wesens Kern
Vom
Paradiese
stammt, daß ich ein Teil
Des
Gottes
bin, der diese Welt erschuf.
Band
11: Der persische Rosengarten
AN EIN SCHÖNES CHRISTENMÄDCHEN
ABU-SALICH
Du
bist zwar Ketzerblut, und höllisch ist
Dein
Glaube,
– aber himmlisch strebt dein Wuchs,
Und
deines
Auges Glanz entstammt dem Reh.
Wie
Tulpen deine Wangen! Deine Lippen
Hat
wohl ein Maler dem fernen China
Mit
lieblichem
Zinnober angetuscht.
Ein
Hügelchen aus wundervoller Seide
Der
Rücken
deiner Nase! Wie ein Knoten
In
zarten
Seidenfäden eingeknüpft.
Dein
Haupt das Paradies; auf deinen Lenden
Der
Frühling;
und dazwischen ragt verwirrend
Das
silberne
Bergland deines Busens auf . . .
ALLEINHEIT GOTTES
FIRDAUSI
Das
Höchste in der Welt und das Tiefste,
Gott, bist du.
Ich
weiß
nicht, was du bist. Aber dies weiß
Ich:
Alles,
was ist, bist du.
JESUS UND DER TOTE HUND
NIZAMI
Als
Jesus, der auf Erden wanderte,
Dereinst
an
einem Markt vorüberkam,
Sah er am Wege einen toten Hund.
Es
standen viele Menschen um die Leiche.
Sie
plauderten.
Der eine sagte mürrisch:
„Pfui,
der
Gestank verpestet uns das Hirn.“
Ein
andrer sagte: „Solch ein Aas bringt Unglück.“
Und
ähnlich
schwätzten alle. Jeder schmähte
Auf
seine
Art das tote Hundetier.
Da
öffnete auch Jesus seinen Mund
Und
sagte
ruhig und in großer Güte:
„Seht,
seine
Zähne leuchten schön wie Perlen . . .“
Wie
da verstummten die Umstehenden
Und
heiße
Scham ihr Inneres durchrann
Und
sie heimschlichen mit gesenkten Häuptern.
ERKENNTNIS GOTTES
DSCHAMI
Demütig
lerne Gottes Wesen aus
Dem
Wesen
Gottes selber, nimmermehr
Aus
klügelnden
Beweisen zu erfassen.
Sind
etwa
Fackel oder Kerze nötig,
Um
dich den Glanz der Sonne sehn zu lassen?
Band 12: Sa'di
der Weise
AN DEN LESER
Aus
vielen fernen Ländern kehrt ich heim:
Aus
Indien,
Arabien, Ägypten.
Wer
aus Ägypten heimkehrt, der bringt Zucker
Den
Freunden
mit als süßes Angebinde.
Ich
habe keinen Zucker mitgebracht,
Doch
Verse,
die noch süßer sind als Zucker:
Sie
laben
zwar die Zunge nicht, die eitle,
Wohl
aber
deinen Geist, der ewig ist.
GRENZENLOSE HINGABE
Tu
mit mir, was du willst. Willst du mich töten,
So
töte
mich; will mich dein Herz erhören,
Erhöre
mich, – und es wird himmlisch sein!
Dies
aber weiß ich: wenn du mich verlässest,
Werd
ich mein Leben lang nur immer suchen
Nach
einem
Glück, beseligend wie du!
VERSCHIEDENE AUGEN
Das
Auge dessen, der dir übel will,
Wird
deines
Herzens hellste Tugenden
Doch
immer
nur als dunkle Laster sehn.
Der
Liebende jedoch, wenn du mit Lastern
beladen
bist
und hast nur eine Tugend,
Sieht
deiner
Sünden nicht die kleinste Spur.
DER PILGER
Ein
Frommer, der nach Mekka pilgerte,
Warf
sich
im Laufe seiner strengen Wallfahrt
Zahllose
Male
nieder zum Gebet.
Wenn
sich, indes er wanderte, ein Dorn
In
seinem
Fuß vergrub, ließ er ihn stecken
Und
wallte
weiter, als verspürt‘ er nichts.
Er
litt, jedoch in seinem frommen Dünkel
Erschien
ihm
gut und edel, was er machte,
Stolz
war
er auf sein Tun, der Törichte.
Er
meinte, daß er Gottes Wege schreite;
Da,
eines
Tages, jählings, drang es warnend
Von
unsichtbarem
Munde an sein Ohr:
„Du
strenger Mann der Pflicht, meinst du denn wirklich,
Gebet
und
Andacht und Sichquälen seien
Die
wahren
Opfer auf des Herrn Altar?
Viel
lieber als ein Leib, der tausendmal
Sich
niederwirft,
ist unserm Gott ein Herz,
Das
wohlzutun
und Glück zu spenden weiß.“
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