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Cover Wagner: Wie die Wolken am Himmel
 
Mit zahlreichen Versen, aus dem Chinesischen übersetzt von Hans-Günter Wagner
217 Seiten, kt., ISBN  978-3-935727-13-6, Euro 14,00
erschienen September 2007

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Hans-Günter Wagner: Wie die Wolken am Himmel
Die Dichtung des Chan-Buddhismus

Was im Westen unter dem Namen Zen-Buddhismus bekannt ist, stammt ursprünglich aus China und wird dort Chan genannt. Im Chan wird das Augenmerk auf das unmittelbare Erleben als Quelle des Erwachens gelegt. Das bewusste Ausführen einer jeden Alltagshandlung ist der Kern einer erleuchteten Lebensweise. Da der Chan in gewöhnlichen Worten kaum zu erklären ist, gilt der lyrische Ausdruck als die angemessene sprachliche Form, um meditative Einsichten und spirituelle Erfahrungen sowie ihre Integration in den Alltag zu beschreiben und anderen zugänglich zu machen. Die Chan-Dichtung bietet einen eigenständigen Zugang zum Verständnis der buddhistischen Lehre. Nicht nur in China, sondern auch in den angrenzenden ostasiatischen Ländern, hat diese Lyrik auf die Entwicklung von Poesie und Malerei, Kalligraphie und Kampfkunst, sowie die Lebensweise im Allgemeinen, einen prägenden Einfluss ausgeübt.  

Alle Chan-Poesie ist stets nur eine Annährung, ein flüchtiges Streifen des Unberührbaren. In unzähligen Gedichten, die das Erkennen des eigenen Weses und das Eingebettetsein in die Natur widerspiegeln, haben chinesische Chan-Poeten das Erleben des bewußten Augenblicks ausgedrückt. Hans-Günter Wagner führt an Hand zahlreicher Beispiele in das Denken und Fühlen chinesischer Chan-Dichter ein und zeigt auch die sozialen Aspekte dieser Dichtung.


Hans-Günter Wagner (Jahrgang 1957) studierte Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik und Chinesisch. Nach einer Promotion über Umweltlernen in der beruflichen Bildung arbeitete er an Problemen der nachhaltigen Wirtschaft und buddhistischen Ökonomie. Seit über zwölf Jahren ist er im Rahmen der Entwicklungskooperation beruflich in der VR China tätig. Darüber hinaus langjährige Mitarbeit im International Network of Engaged Buddhists (INEB). Zahlreiche Veröffentlichungen zu wirtschaftswissenschaftlichen, pädagogischen und buddhistischen Themen.

Weitere Verlagstitel von Hans-Günter Wagner:
Hell ein Vogelruf ertönt  - Altchinesische Volkslyrik (Shijing - Guofeng)
neu aus dem Chinesischen übersetzt

Inhaltsverzeichnis:
Einführung
Was ist Chan?
Naturbilder als Metaphern innerer Erfahrung
Die Chan-Lyrik im Kontext der chinesischen Kultur
Jenseits von Wort, Schrift und Zeichen
Die Bandbreite der Chan-Dichtung
Taoismus und Chan
Weisheit im schweigenden Fels: Verse vom Steinsutrenberg
Han Shan – Poet und Chan-Rebell vom Kalten Berg
„Zweifle am Abend über das Tun des vergangenen Tages“ –
               Tang Yin, ein Maler und Chan-Poet im China der Ming-Zeit
Das Entstehen und Verschwinden der Welt – Die Chan-Lyrik Wang Weis
Meng Haoran – Bergeinsamkeit anstelle eines Mandarinenlebens
Jiao Ran – Poet der Klarheit und Schlichtheit
„Was könnte die Leerheit je verletzen?“ –
               Ein früher poetischer Liebesdialog über Weltfülle und Mönchsaskese
„Wie kann die Ordnung des Himmels Wirklichkeit werden?“ –
               Wang Fanzhi – ein früher Chan-Dichter und Gesellschaftskritiker
Rückzug und Engagement – Die gesellschaftliche Dimension der Chan-Lyrik
Zwei engagierte Buddhisten und Chan-Dichter der Song-Dynastie: Su Dongpo und Wang Anshi
Abgehackte Finger und eine getötete Katze –
               Über Poesie und Gewalt im Chan/Zen-Buddhismus
Zum Schluss: „Worte benennen nicht den Ort“

Anhang
    Anmerkungen
    Personenregister
    Verzeichnis der Chan-Dichter
    Glossar
    Literatur (Chan-Verse)
    Weitere Literatur
    Dank


Kostproben (ein Kapitel):
Jiao Ran – Poet der Klarheit und Schlichtheit

Jiao Ran (730-799) hat stilbildend in der Chan-Dichtung gewirkt und gilt als Verfasser zahlreicher berühmter Chan-Verse, die sich vor allem durch Klarheit und Schlichtheit aus­zeich­nen. Er wurde unter dem Familiennamen Xie in Huzhou in der heutigen Provinz Zhejiang geboren und lebte dort lange Zeit auf dem Shu-Berg. Hier entstand seine Shu-Berg-Samm­lung (Shushanji), aus der auch einige der folgenden Vers­e stammen. Seine späten Jahre soll er im Miaoxi-Tempel am Xu-Berg bei Wuxing verbracht haben. Es heißt auch, er sei der zehnte Enkelsohn der berühmten Dichters Xie Lingyun (385-443), der zur Zeit der Sechs Dynastien lebte. Jiao Ran, der den größten Teil seines Lebens als Mönch verbrachte, gilt außer­dem als bekannter Teegelehrter. Bei den Guzhu-Hügeln in der Nähe von Hangzhou soll er einst einen Teegarten be­ses­sen haben. Viele Stunden verbrachte er dort mit seinem Freund, dem berühmten Teekenner Lu Yu, beim Betrachten der Teesträucher und dem Geniessen des Tees. „Die erste Tasse Tee entfernt die Benommenheit aus dem Kopf, die zweite wirkt wie ein Reinwaschen der Seele, nach der dritten kann man das Wesen der Dinge erken­nen“, schrieb Jiao Ran. Der Mensch sei nicht imstande, Wut und Ärger aktiv auszumerzen, so seine Auffassung, man könne sich seiner Gefühle jedoch bewusst werden. Aus dem acht­samen Wahrnehmen entstehe das bewusste ethische Handeln. Das Teetrinken hielt er für ein geeignetes Medium, um die Beziehungen zwischen Mensch und Materie, zwischen Körper und Geist zu verstehen. Daher seine Hochschätzung der Teekultur.

Der Mond auf dem Fluss
Der Herbstmond auf dem Fluss – voller Anmut
Wie neugeboren sind alle Dinge
Im hellen Lichtglanz ruhen die Ufer
Auf zarten Wellen tanzen lichte Schatten
Im Nicht-Denken bleibt nichts unerfasst
Die Chan-Nacht folgt dem Lauf des Mondes

Der Mond auf dem Wasser
Tief in der Nacht
    fällt der Blick auf den Teich
Versunken im Chan
    in mondheller Nacht
Den Mond im Wasser
    kannst du nicht ergreifen
Klar ist der Geist
    wenn er in sich ruht
Du fragst:
    Wie zur Leere erwachen?
Verweile beim Bild
    des Mondes auf dem Wasser
Die Bahn des Mondes
Aus allen Häusern blicken
    die Menschen hoch zum Herbstmond
Der Anblick der Berge
    ist ein ganz anderes Bild
Friedlich und still
    das Land zwischen Berg und Tal
In tiefer Nacht leuchtet
    der Mond über den Gipfeln
Die Menschen am Meer sagen
    er steige aus dem Wasser empor
Die Menschen in den Bergen sagen
    er komme hinter den Bergen hervor
Das Mondorakel verkündet Freude
    es verkündet Kummer
Der Mond ist der Mond
    hat nichts damit zu tun
Von der Vorzeit bis heute
    ist es der gleiche Mond über dem Berg
Die Menschen schauen zu ihm hinauf
    schon seit ewiger Zeit
Zahllosen Menschen
    in ungezählten Nächten
War die Sichel des Mondes
    Wegweiser und treuer Gefährte

Wolken über dem Fluss
Über dem Fluss ziehen Wolken auf
Ein wirbelndes Band, das den klaren Raum durchzieht
Reich an Formen sind sie, doch ohne Substanz
Sie treiben mit dem Wind und hinterlassen keine Spur
Und so bin auch ich, ihr Gefährte
In der Loslösung bin ich eins mit ihnen

Das Hören der Glocke
Am Winterberg ein Tempel steht
Glockenklang im Winde weht
Schall beugt Zweig im Mondeslicht
Schwingung auch den Raureif bricht
Klare Nacht den Frieden nährt
Herz das Reine Land erfährt

Ein Glockenschlag im Miaoxi-Tempel –
Dem Mandarin Lü gewidmet
Vom Kalten Berg tönt Glockenklang
Beim Lauschen wird der Ton klar
Schließlich verstummt er in der Stille
Weit in der Ferne rauscht ein Wasserfall
In der Nacht währt das Rezitieren länger
Zwischen den Versen kein Stillstand
Aus tiefer Stille erwacht der Mönch
Der Pilger geht fort ohne Abschied
In der Stille die Berge ohne Eigenschaften
Wie könnte der wirkliche Ton
    je aufhören zu erlöschen

Vergebliche Suche nach Hongjian
Sein neues Heim liegt unweit des Dorfes   
    und dennoch ruhig und still
Ein schmaler Weg führt durch die Wildnis
    vorbei an Hanffeldern und Maulbeerhainen
Die Chrysanthemen beim Heckenzaun
    sie scheinen frisch gepflanzt
Wie sollten sie sonst blühen
    jetzt mitten im Herbst
Als ich an das Tor klopfe
    schlägt kein Hund an
Enttäuscht wende ich mich ab
    und frage den Nachbarn zur Westseite
Der Edle sei in die Berge gegangen
    heißt es
Erst mit den letzten Strahlen der Sonne
    kehre er zurück

Ein Abend im Spätherbst beim Tempel
am steilen Berghang
Kahl ist der Berg
    überall treiben die Blätter im Wind
Im Tempel in der Steinschlucht
    brennen nur wenige Lichter
Gestern noch ein üppiger Pilgerstrom
    heute kommt nicht ein einziger
In den kalten Nächten
    kehren die Wolken zum Berg zurück


   

 

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