Regina Berlinghof
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Inhaltsverzeichnis
und Kostproben:
Die Kette Wüste
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"Daves Stimme
dozierende Stimme drang durch seine Angst: "Du weißt -
wir haben den Durchbruch geschafft. Aber was die
Feineinstellung der Koordinaten betrifft, wußte
Columbus wahrscheinlich mehr über die Position
Amerikas bevor er losfuhr, als wir über deinen exakten
Raumzeit-Landepunkt. Alles was wir tun können, ist,
dich in die Zukunft zu katapultieren und dafür zu
sorgen, daß du nicht in einem Ozean landest - alles
andere werden wir erst durch dich erfahren. Solange du
in der Zukunft bist, gibt es keine Verbindung. Wir
wissen nur, daß ein lebender Organismus den Zeitbruch
übersteht. Sammy und Iris konnten uns schließlich
nicht erzählen, was sie gesehen und erlebt haben -
jedenfalls noch nicht. Wir wissen also nicht, an
welchem Ort und und zu welcher Zeit du genau landen
wirst..." Nachdem sie ihre
Liebe genossen hatte, verwandelten sich ihre Liebhaber
in Morgenröcke. Karlas Kollektion von Morgenröcken war
berühmt. Einmal im Jahr, wenn sie eine Führung
veranstaltete, durfte die staunende Öffentlichkeit
einen Blick darauf werfen. Jedes Stück ein kostbares
Unikat - man bewunderte sie und betrauerte die Männer,
die Körper, Geist und Seele gelassen hatten, um von
ihr in einen Morgenrock verwandelt zu werden. Aber es
fehlte nicht an Nachschub. Er log. Aber sie brauchten ja nicht zu wissen, daß er oft Stunden hinter der Gardine verbrachte und sie beobachtete. Erst vor ein paar Wochen war ihm die junge Frau mit dem Kopftuch in der Wohnung gegenüber aufgefallen. Ein Kopftuch in der Wohnung! Wie im Harem! war es ihm durch den Kopf geschossen, und das Wort Harem war erregend durch seinen Körper geprickelt. Nicht daß die junge Frau, die ihr Haar unter dem Kopftuch verbarg, seine Neugier geweckt hätte. Das wäre unter seiner Würde. Aber wenn er zufällig am Fenster vorbeikam, warf er automatisch einen flüchtigen Blick zum Fenster gegenüber. In den darauffolgenden Tagen kam er sehr oft am Fenster vorbei. Irgendwann war es ein selbstverständliches Sichvergewissern geworden, ob sie da war oder nicht. Und irgendwann hatte er angefangen, sie genau zu beobachten, wenn sie sich drüben hinter den beiden Fenstern bewegte. aus Lilli oder Das dritte Auge Ulrichs Blick
blieb an einem kleinen bunten Strauß im Vorraum
hängen, der durch den Rundbogen vom "Wohnbereich" aus
zu sehen war. Es waren wohl Rosen darin und Fresien -
die anderen Sorten konnte er aus der Ferne nicht
erkennen. Es war auch ganz unwichtig, wie die
zusammengebundenen Blumen hießen. Es war der Strauß
selbst, der Ulrichs Aufmerksamkeit erregte. Denn er
explodierte geradezu in flammender Buntheit. In seinem
überquellenden, lebendigen Farbenspiel erinnerte er an
einen Bauernstrauß, in den man wahllos alle auf der
Wiese vorhandenen Blumenarten gepflückt hatte, so daß
mit dem Strauß die blühende Wiese selbst in das Haus
gekommen zu sein schien. Nur daß im November die
Wiesen draußen nicht mehr bunt blühten. Jedenfalls
nicht in diesen Breiten. Ulrich war sicher, daß Sonja
und Gerhard diesen Strauß weder gekauft noch gebunden
hatten. Vermutlich stand er auch deshalb draußen im
Vorraum. In die so sorgsam gepflegte schwarzweiße
Wohnkultur paßte er hinein wie ein Trompetenstoß in
ein Bergsches Streichquartett. Einer von den Gästen
mußte ihn mitgebracht haben. Ulrich fragte sich, wer
von diesen angepaßt Übermütigen zu einem solchen
Strauß fähig war. aus: Bericht vom Planeten "Kleiner Bruder" "Als erstes
versuchten wir, den Grad der Intelligenz der
Nackthäutler zu bestimmen, also ihre Fähigkeit zu
umfassender und realistischer Wahrnehmung ihrer selbst
und ihrer Umwelt. Dies erfordert einen ausgeprägten
Geruchssinn. Denn wie anders als durch intensives,
hautnahes Beriechen können wir Aufschluß über den
Charakter und die gegenwärtige Verfassung unseres
Gegenübers gewinnen? Kein anderer Sinn bietet eine
solche Vielfalt, Fülle und Tiefe an Informationen wie
der Geruchssinn. Die Reichweite seines
Informationsraumes ist unübertroffen. Der Wind trägt
uns die Witterung von Freund oder Feind zu, lange
bevor wir ihn hören, sehen oder betasten können. Kaum hatte
Müller-Soden ihn im Bistro fest zwischen Wand und
Tisch eingekeilt, war er mit seinem neuen Gott und
seiner Mission herausgerückt. Er hatte sich einen
Computer gekauft und schrieb nun seine Manuskripte
nicht mehr mit der Schreibmaschine, sondern mit Hilfe
eines Textverarbeitungsprogramms. Paolina hatte längst schon das Frühstück für die Gäste abgeräumt und bereitete das Mittagessen vor, als sich die ersten verschlafenen Touristengesichter zeigten. Sie waren mißmutig und zeigten ungeniert ihre schlechte Laune. Sie mußten noch dieselben Kleider und dieselbe Wäsche vom Vortag tragen, die sie selbst nachts nicht hatten ausziehen können. Es gab keine Dusche. Sie hatten keine Zahnbürsten, Zahnpasta, Deodorants dabei. Schließlich hatten sie nur für einen Tagesausflug gebucht. Ihre Wäsche zum Wechseln, ihre Toilettenartikel warteten im vollklimatisierten Hotel in der Stadt. Der Fischgeruch verstörte sie. Fisch zum Frühstück! Sie fühlten sich gestrandet, ausgeliefert an eine fremde, primitive Welt, die auf einmal zu dicht und aufdringlich an sie herangerückt war. Sie sehnten sich zurück nach der Zivilisation, nach dem Hotel, nach fließendem Wasser aus einer Mischbatterie und einem kachelblinkenden stillen Örtchen. Sie gingen hinunter zum Strand. Ein gutes Stück von den Fischerbooten und den ausgespannten Netzen, hockten Frauen auf ein paar großen Steinen und wuschen ihre Wäsche. Eine alte Frau wackelte mit schnellen kleinen Schritten heran. In den Händen trug sie einen großen Keramiktopf. Sie keuchte ans Wasser, nahm dem Topf und schüttete seinen Inhalt ins Wasser. Wenig später roch es nach süßlichem Urin. "Eine Kloake, dieser ganze See ist eine Kloake!" stammelte Evelyn fassungslos. "Und sie waschen sich darin, fischen die Fische daraus - und trinken wahrscheinlich auch noch das Wasser!" "So wie wir gestern abend," fügte Udo hinzu. "Ich glaube, mir wird übel!" Evelyn, die sich heute nicht wie gewohnt schminken konnte, sah tatsächlich etwas bläßlich aus. "Unsinn," kam es von Manfred, den zwar auch ein leichtes Ekelgefühl anwehte, aber da er sich mehr seinem überlegenen Verstand verpflichtet fühlte, sagte er jetzt: "Dieses Wasser ist uns gestern ausgezeichnet bekommen. Der See ist schließlich groß genug. Und die Leute hier machen auch einen ganz gesunden Eindruck!" "Aber den Fisch kann ich trotzdem nicht essen," behauptete sich Evelyn gegen ihren Mann. Inzwischen hatten die Dorfkinder die Turistos entdeckt. Sie umringten die vier hellbunten Gestalten und schauten sie mit ihren großen dunklen Augen an. Sie bettelten nicht, aber den Vieren war es trotzdem nicht angenehm, auf Schritt und Tritt wie durch ein Vergrößerungsglas beobachtet zu werden. "Du hast
abgenommen!" sagte Sybille erfreut, als sie sich nach
ihrem Urlaub trafen. "Acht Pfund", bestätigte Carlotta
und bestellte sich ein Eis. Sie saßen im Mövenpick im
Freien und genossen die ersten warmen Sonnenstrahlen.
"Was macht dein Romeo? Schreibt er noch?" Carlotta
nickte. "Und wer ist es?" "Ich weiß es nicht." "Du
hast es nicht herausgefunden?" "Wie denn", fragte
Carlotta. Die Briefe sind in Frankfurt aufgegeben,
mehr weiß ich nicht." "Schweinekerl." "Er schreibt
aber nicht schweinisch." "Trotzdem: schweinischer,
feiger Macho! - Sag bloß, daß dir die Briefe
gefallen!" Carlotta nickte wieder. "Ich habe ihn
Troubadour genannt. Allmählich fange ich an zu
glauben, daß die mittelalterlichen Frauen gar nicht so
übel dran waren. Jedenfalls nicht die hochgestellten
Frauen. Das gilt natürlich nicht für die einfachen
Bauersfrauen oder Dienstmägde. Aber besungen zu
werden..." Sybille sah sie prüfend an. "Deine Augen
haben Glanz. Und deine Haut hat Farbe bekommen! - Tust
du was?" "Überhaupt nichts, das ist ja der Witz!"
Carlotta lachte. "Es geht ganz von selbst! Ich mache
nicht einmal eine Abmagerungskur. Ich habe einfach
weniger Hunger! Ich nasche kaum noch und schwere
Sachen esse ich auch weniger." Sybilles Augen blickten
groß, ungläubig und mißtrauisch. "Ich bin gespannt,
wie das endet!" "Ich auch" sagte Carlotta sehr
einfach. Dann sprachen sie über Sybilles Chinaurlaub,
über Klaus und über die Kinder. |
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