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Höchster Kreisblatt

Freitag, 20.10.2006

Berlinghof macht die Gedanken eines Webers bekannt

Kelkheim. „Mein Freund, ein Selbst wohnt in allen Wesen“, sagte Kabir in Indien vor 500 Jahren. Für ihn hat der Schöpfer keinen Namen, formlos, ohne Eigenschaften, er durchdringt jeden Raum. „Ich bleibe im natürlichen Sein, bin eins mit ihm, ich komme nirgendher, gehe nirgendwohin“, heißt es in seinen Versen. Dies erfuhr das Publikum bei einer Lesung besonderer Art im Kulturbahnhof. Dieser Kabir, einer der größten Mystiker und Dichter Indiens, wurde erstmals ins Deutsche übersetzt und von der Kelkheimerin Regina Berlinghof in ihrem Yin-Yang Media-Verlag herausgegeben. Rechtzeitig zur Buchmesse, zu der Indien Gastland war, und ganz aktuell im Streit der Religionen und Kulturen. In einer Veranstaltung des Magistrats lasen Verlegerin Berlinghof und Übersetzerin Shubhra Parashar (in Indien geboren, ist sie in Deutschland groß geworden) aus dem Buch vor, musikalisch untermalt von Thomas Meisenheimer mit der Sitar, jenem indischen Instrument, das an eine Laute erinnert. Die Zuhörer im gut besetzten Kulturbahnhof waren begeistert.

Nichts war laut oder hektisch an diesem Nachmittag. Ein sanfter Dauerton schwang durch die Lesung, in den zuweilen die Sitar melodiös hinein klang. Die Vorleserinnen waren farbig-indisch gewandet, ihre Gedanken nach innen deutlich gesammelt. Das Publikum beim Tee mochte sich in einer Meditation wiederfinden, mit einem kosmischen Laut durchdringend. Und mit Kabirs Worten in den Ohren, wonach Gott in den Herzen aller ist und in allem Leben, ein alldurchdringendes Sein.

Einem Vers in Deutsch folgte die indische Urform, um die Sprache des indischen Mystikers gefühlsmäßig noch näher zu bringen. „Strebe die Erkenntnis an“, fordert Kabir auf, um unmittelbar Gott zu erkennen. Für ihn gilt nicht das Buchwissen durch Veden oder Koran (oder Bibel), sondern die Erkenntnis. „Strebe zielgerichtet spirituelle Erkenntnis, um zu einem Selbst zu kommen.“ Da ist der indische Dichter nicht weit weg von den deutschen Mystikern wie Meister Eckhart. Vergleichbares findet man in Buddhismus und Taoismus, bei den Sufis und im Christentum.

Zwischen den Versen erfuhr die Zuhörerschaft Biographisches über Kabir. Er war ein einfacher Weber Ende des 15. Jahrhunderts, konnte nicht lesen und schreiben. Seine Mutter war verwitwete Brahmanin, von einer muslimischen Weberfamilie am Ganges großgezogen und wurde möglicherweise über 100 Jahre alt. Er lebte zwischen den Religionen von Hindus und Moslems (Sufis), gehörte der nordindischen Bhaktibewegung an, die sich vom strengen Zeremoniell der Brahmanenpriester losgesagt hat und keine Kastenunterschiede gelten lässt. Kabir ist gegen religiösen Fanatismus, gegen Tieropfer, Fasten, Kasteien und Mandren. „Ich gehe nirgendher, gehe nirgendwohin“, sagt er. Er gründet nichts, zerstört nichts, „ich habe keine Feinde, mein Herz ist frei“. Trotzdem gab es zwei Mordversuche gegen ihn, die er gleich Buddha überlebte.

Regina Berlinghof ist es zu verdanken, Kabir in Deutschland öffentlich zu machen, sein Denken zu verbreiten. Er sucht den direkten Zugang zum Göttlichen durch die persönliche und liebende Hingabe. (kic)

 
 

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