Ketzerblätter
zurück

Hier werden literarische und nichtliterarische Texte veröffentlicht, die sich kritisch mit Unterdrückung, Menschenrechtsmißachtung und Verfolgung aus religiösen, politischen, philosophischen oder sonstigen Gründen auseinandersetzen
       
Hafis
der persische Mystiker und Dichter aus dem 14. Jahrhundert

Er besang nicht nur Allah und den Koran, sondern auch die Natur, die Liebe, Frauen, den Wein, Schenken und Schenkenknaben. Die Buchstabenfrommen verfolgen ihn. Hafis antwortete mit Gedichten. 
 



Hafis war ein wahrhaft gottergebener Mann. Jedenfalls zeugen seine Gedichte von einer Gottesliebe, die keine Gegensätze mehr kennt. Himmel, Hölle, Sünden, Strafe, Gericht - sie werden in Gottes unendlicher Güte und Barmherzigkeit aufgehoben. Er hatte keine Angst vor der göttlichen Vergeltung - im Gegenteil. Er fühlte sich frei, weil geborgen in Gott. So war er auch in seinem Denken ganz frei. Da sich Gott in allem und jedem offenbarte, blieb ihm Gott noch in den freiesten Gedanken gegenwärtig:




Schön sind die Rosen fürwahr
Nichts schöner ist.
Schön! wenn dir bei der Hand
Der Becher ist.
Auf und trinke den Wein
Im Rosenbeet, 
Weil die Dauer der Ros'
So flüchtig ist.
Itzt sind die Tage der Lust,
Genieß, genieß!
Weil in Muscheln nicht stets
Die Perle ist.
Welch ein seltener Pfad!
Der Liebe Pfad,
Wo der Führende selbst
Verirret ist.
Willst Du leben mit uns,
Wasch aus dein Buch,
Weil, was Liebe dich lehrt,
Im Buch nicht ist.
Hafis, Band I, Seite 335





 
Mit zerwühlten Locken, 
mit lächelndem Munde und trunken;
mit zerrißnem Hemde,
das Glas in den Händen, und singend,

Mit aufrührerischen 
Narcissen und zaubernden Lippen
Kam zu meinem Bette
Um Mitternacht meine Geliebte,
Hielt ihr liebes Köpfchen
Geschmeidig zum Ohre mir hin, und
Sprach mit leiser Stimme:
Mein alter Verehrer du schläfst noch?

Wann der Weise, welchem
Ein ähnlicher Schlaftrunk gereicht wird,
Nicht den Wein anbetet,
So ist er ungläubig der Liebe.

Geh' o frommer Klausner
Und spotte der Trinker mit nichten,
denn am Tag des Loses
Ward ihnen nichts anders beschieden.
...
Hafis, Band I, 82
 
 

Komm' laß uns Rosen streuen, 
Und Wein in Becher werfen, 
des Himmels Dach zertrümmern, 
und neue Formen werfen.
Hafis, Band II, 156
 
 

Steh auf, wir wollen das Ordenskleid
zur Schenke tragen.
Wir wollen heiliges Gaukelspiel
zu Markte tragen.

Die Ohren habe ich mir verstopft
Vor aller Predigt
Wie lang ihr Prediger wollt ihr noch
Die Schande tragen?

Und werden Dornen von Frommen uns
In den Weg geleget,
Belohnen wollen mit Rosen wir
Solch ein Betragen.
...
Ich will die Pauke von deinem Ruhm
Im Himmel schlagen,
Ich will der Liebe Panier bis an
die Sterne tragen.

Im Felde des jüngsten Gerichts wird einst
Der Staub der Füße
Auf allen Scheiteln als Kronenzier
Und Schmuck getragen.
Band II, 187
 

Man kann sich vorstellen, daß sich viele Muslime durch solche Gedanken und Gedichte provoziert fühlten. Man griff ihn als Ketzer und Gotteslästerer an. Aber wenn Hafis zum je Ketzer wurde, dann nur aus Liebe. Hafis hatte Glück, daß die freisinnigen und lebenslustigen Schahs in Schiras ihn schützten, und Hafis antwortete den Frömmlern und Buchstabengetreuen mit Gedichten:

...
Sag' nichts Böses von Hafisen,
Prediger, er verließ die Gemeinde.
Kannst du einen Freien fesseln?
Wenn er hinwegging, – Ist er gegangen.
Hafis, Band I, 167/8

...
Bin ich auch hundertmal versenkt 
Ins Meer der Sünden
So wird mir doch verziehn, wenn ich 
Die Liebe kenne.

O Frommer! schmäh nicht meinen Rausch 
Und bösen Namen,
Denn dieses war von Ewigkeit 
Mir so bestimmet.

O trinke Wein, die Lieb' ist nicht 
In meiner Willkühr.
Von Ewigkeit her gab man sie 
mir zum Geschenke.
...
Hafis, Band II, 161
 

Unser Scheich wallte gestern
Aus dem Bethaus in die Schenke
O ihr frommen Männer saget
Was ist uns forthin zu rathen?
Wie doch können wir die Jünger
Das Gesicht zur Kaaba wenden,
wenn der alte Vater Scheich
Selber in die Schenke gehet!
Ei, so lasset mit dem Wirte
Uns gemeine Sache machen!
Denn so wars von Ewigkeiten
In das Schicksalsbuch geschrieben.
Sieh ein Windhauch in die Locken
Hat die Welt für mich verfinstert!
Dieses also ist der Nutzen
den mir deine Locken bringen.
Ruhe hatte sich mein Herz
In dem Netze aufgefangen,
Sieh da rollten auf die Locken,
Und entflohen war die Beute.
Wüßte der Verstand, wie selig
Herzen in den Locken ruhen,
O es würden die Verständ'gen
Unsrer Bande wegen närrisch.
Einen Vers vom Schönheitskoran
Hat mir dein Gesicht enthüllet,
Deshalb atmen meine Verse
Hohe Schönheit, reine Anmut.
...
Hafis, Band I, 18
 

Du frommer Mann, verlästre nicht die Trinker,
Man schreibt die fremden Sünden nicht auf dich.
Ich sei nun böse oder gut. Sei ruhig,
ein jeder erntet ein, was er gesät
Auf Gottes Gnade laß mich nicht verzweifeln,
was weißt du, wer verdammt, wer selig wird?
Hafis Band I, 103
 
 

Wem ein Glas voll rothen Weins
Morgens ward gegeben,
Ward ein Platz im Heiligthum
Bey dem Herrn gegeben.
Sey kein Frömmling, schaue nicht
viel um her auf Trunk'ne
Ihnen war am Loosetag
Liebeshang gegeben.
Schenke bring den Rosenwein
Der nach Moschus duftet,
Weil die Überweisen mir
So viel Ärger geben.
Wahrlich! nicht verkostet hat
Vom Genuß des Lebens,
Welchem die Verheißung auf
Morgen ward gegeben.
Gerne tut Hafis Verzicht
auf die Paradiese,
Wird ihm deines Heiligtums
Hochgenuß gegeben
Hafis, Band I, 426
 
 

Da mich der Herr zum Trunke bestimmt hat, 
Sag, Frommer, hab ich hiervon die Schuld?
...
Als in den Schenken mir mein Wille ward,
Da dünkte Schul' und Kloster mir gleich schwarz. 
Ich bettle nicht an jedem Tor, Hafis,
Denn du gelangest nur durch Gott zum Ziel.
Hafis, Band II, 350
 

Wollte wegen jeder Sünde
Gott der Herr den Sünder greifen.
Oh da würde Weh und Klagen
Eine ganze Welt ergreifen
Hafis, Band I, 434
 

Die Priester, die mit Stuhl und Pult,
in Kirchen gar so heilig tun,
Sie werden in der Einsamkeit
das Gegenteil desselben tun.
Ich habe einen Zweifel, frag
den Weisen der Gemeind darum,
Warum die Buße-Prediger
Denn selbst so wenig Buße tun?
Nach allem Anschein glauben sie
Nicht an die Stunde des Gerichts,
Weil sie mit Trug und Gleißnerei
soviel des Ärgernisses tun. 
Geleite diese Zunft, o Herr!
Zu ihrem Eselsstall zurück!
Ihr Übermut rührt bloß daher,
Weil sie mit Striegeln nichts zu tun.
Ihr Engel an der Schenketür
Lobsinget Euern Preisgesang,
Die Säuerung von Adams Stoff
Nichts anders ist der Trinker tun,
Seht ihre Schönheit mordet stets
Die Liebenden, ein Wunder ists,
daß ungeachtet dessen stets
Noch Liebende hervor sich tun.
...
Des Morgens schallte ein Getön
Vom Himmel her: da sprach Vernunft:
Die Engel lernen dich Hafis,
Was könnten sie wohl Beßres tun?
Hafis, Band I, 233 

Sogar nach seinem Tod wollten Hafis Gegner ihm ein ehrenhaftes Begräbnis verweigern. Man entschied durch ein übliches Orakelverfahren: man stach mit einer Nadel in den Koran oder in ein anderes Buch (hier Hafis Divan): der Vers, der so getroffen wurde, galt. Bei Hafis stach man folgende Stelle: 

...

Wende die Schritte nicht ab
Vom Grab Hafisens;
Wenn gleich in Sünden versenkt,
Harrt er des Himmels.

Hafis, Band I, 104

Hafis blieb in seinem Grab.
 

Die Zitatanganben beziehen sich auf die Ausgabe des Diwan in diesem Verlag. Übersetzung Joseph von Hammer-Purgstall, Stuttgart/Wien 1812/13

 

 

zurück zur Startseite
 
 
Kontakt / Contact
Bestellen - Orders
Verlagsprogramm
Publishing list
Reaktionen und Rezensionen
Reports and Reviews
Lesungen
Readings
Ketzerblätter
heretics lines
Andere links
Other links

 

Auswahl: Regina Berlinghof
Design YinYang Media Verlag
Stand: Januar  2001