Mein Rückblick auf die Frankfurter Buchmesse 2009 und die Menschenrechte in China
von Regina Berlinghof, Verlegerin



Stand des YinYang Media Verlages Buchmesse Frankfurt 2009


Auf diese Buchmesse hatte ich mich gefreut. Schließlich habe ich mich schon lange für die chinesische Kultur, Philosophie und Literatur interessiert. Die Gedanken Lao Tses (Laozi) und der chinesischen Chan(Zen) Meister haben mich schon früh fasziniert und beeindruckt. Ebenso ih
re Dichtungen. In meinem Verlag habe ich vier Titel mit chinesischer Dichtung herausgebracht.
Weniger begeistert war und bin ich von der totalitären Staatsverfassung der "Volksrepublik China". Auch wenn sich die Verhältnisse seit Mao und dem Massaker auf der Tiananmen-Platz 1989 verbessert haben sollen - wirtschaftlich, sozial und auch in Sachen Menschenrechten -, so gibt es nach wie vor keine Meinungs- und Pressefreiheit, gegen Behördenwillkür gibt es kaum Rechtsschutz, den ethnischen Minderheiten wird die chinesische Kultur übergestülpt, politische Selbstbestimmung wird ihnen nicht zugestanden.

Nun wollte die Buchmesse auf Dialog und Öffnung setzen. Aber kaum kamen unliebsame, weil kritische Schriftsteller angereist und wollten beim Symposion im September das Wort ergreifen, protestierten die offiziellen Regierungsvertreter "diese Schriftsteller sprechen nicht für das chinesische Volk!" - und die deutschen Gastgeber knickten ein - luden die beiden Menschenrechtler und Umweltschützer wieder aus und versprachen ihnen Redemöglichkeit während der Buchmesse.

Auch als Verlegerin von klassischer chinesischer Dichtung, die mit den aktuellen Verhältnissen nichts zu tun haben, sollte man doch nicht die Augen vor der Gegenwart verschließen. So hatte ich beschlossen, an meinem Stand einige Artikel der chinesischen Menschenrechtserklärung (Charta 08), vergrößert ausgedruckt, auf einer Wäscheleine an meinem Stand aufzuhängen. Die FAZ hatte sie auf Chinesisch und Deutsch im Dezember komplett ausgedruckt.

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Aufnahme von Marton Radkai
Die Resonanz der Besucher auf die fotokopierten Artikel war ziemlich enttäuschend. Nur wenige nahmen sie wahr. Ein chinesischen Paar entdeckte und fotografierte sie am ersten Tag - und warf mir einen dankenden Blick zu. Später kam der amerikanische Journalist Marton Radkai vorbei - der erste, der mich auf sie ansprach und dafür dankte. Wir kamen in ein längeres Gespräch. Schließlich fotografierte er den Stand und versprach, in seinem Weblog darüber zu berichten. Das tat er dann auch. Hier der Link.


Am nächsten Tag freute sich eine Chinesin über die ausgehängten Menschenrechtsartikel - sie sei eine der Unterzeichner! Sie dankte mir und ließ sich mit mir fotografieren. Irgendwie kam sie mir bekannt vor - aber ich war mir überhaupt nicht sicher.
Erst am Abend, als ich die Fotos auf den PC spielte und als mir ihre Stimme im Ohr nachklang, fielen mir wieder die Berichte vom Symposion und das Interview in Kulturzeit (von 3Sat) mit Dai Qing wieder ein. Eine kurze Googlesuche - und ich hatte sie gefunden. Sie war es tatsächlich! Die Umweltschützerin, die man erst eingeladen, dann ausgeladen hatte, der man eine Redemöglichkeit versprochen und dann wieder verweigert hatte.

Dai Qing am Stand des YinYang Media Verlages


Schon seit dem Eklat während des Symposions frage ich mich, warum die Frankfurter Buchmesse - eine Tochtergesellschaft des Börsenvereins der Buchhändler und Verlage - die Gastlandeinladungen mit Regierungen verhandeln muß, noch dazu mit totalitären und diktatorischen Staaten.
Im Impressum der Webseite der Frankfurter Buchmesse findet sich folgende Selbstinformation:

Die Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels (AuM) richtet die Frankfurter Buchmesse aus.

Die Ausstellungs- und Messe GmbH (AuM) mit Sitz in Frankfurt/Main ist eine Tochtergesellschaft des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Sie richtet seit 1949 die Frankfurter Buchmesse aus, die weltweit größte und bedeutendste Messe für die internationale Buch- und Medienbranche. Die internationale Vernetzung der Buchbranche und ihre Professionalisierung ist wichtiges Anliegen der AuM. Als Außenhandelsorganisation des deutschen Buchhandels hat die AuM den kulturpolitischen Auftrag, die deutsche Buchbranche weltweit zu repräsentieren sowie den internationalen Kulturaustausch und die freie Verbreitung des Wortes zu fördern.

Die Verbreitung des freien Wortes fördert man allerdings mehr, indem man Schriftsteller zu Wort kommen läßt und nicht vor deren Unterdrückern kuscht. Lädt man etwa zu den Filmfestspielen in Cannes, Venedig oder Berlin Regierungsdelegationen ein? Hätten wir je auf solche Weise Filme in ihrem Land verbotene Filme wie  "Das rote Kornfeld" von Zhang Yimou oder Satrapis "Persepolis" sehen können?

In meinem persönlichen Webtagebuch schrieb ich am 17.9.09:
Wer repräsentiert, wer spricht für das chinesische Volk?
"Wir sind nicht gekommen, um uns in Demokratieunterricht belehren zu lassen, diese Zeiten sind vorbei", begründete Mei Zhaorong, der ehemalige chinesische Botschafter, den vorübergehenden Auszug der offiziellen chinesischen Delegation aus dem Symposion, als die Dissidenten Dai Qing und Bei Ling sich zu Wort meldeten. „Diese Dame und dieser Herr können sich nicht anmaßen für 1,3 Milliarden Chinesen zu sprechen!“

Eine solche Sprecherrolle maßt sich
Bei Ling aber gar nicht an: "Die Stimme eines Schriftstellers kann immer nur für ihn selbst sprechen und nicht für irgendjemand anderen." (so ein Zitat aus der FAZ).
Es sind die chinesische Regierung und ihre nachgeordneten Vertreter, die für sich in Anspruch nehmen, für das chinesische Volk zu sprechen. Und mit welcher Berechtigung tun sie das? Jedenfalls nicht auf Grund von echten Wahlen zum Parlament. Die Bevölkerung wird nur bei den Wahlen auf Kreis- und Gemeindeebene befragt. Dann steigen Delegierte von dieser Ebene zur nächst höheren auf. Und wer nicht die Linie der KP vertritt, hat keine Chance. Die Mitglieder des Zentralkomitees der KP haben die Macht - nicht weil sie gewählt worden sind, sondern weil sie Polizei und Militär auf ihrer Seite haben - und wiederum deren Führer bestimmen. Wie kann also eine solche Regierung, wie können Regierungsvertreter behaupten, sie sprächen für das chinesische Volk, wenn
das Volk nie dazu gefragt wurde?

Schriftsteller sprechen ihre Meinung aus, geben ihre Sicht wieder. Sie maßen sich gar nicht an, für ein ganzes Volk zu sprechen, auch nicht für ihr eigenes. Aber ihre Meinungen, ihre Werke, ihre Statements bilden einen facettenreichen Teppich, der ihre Kultur und das Denken eines Volkes widerspiegelt.

Ich hoffe auf die Änderung des Konzeptes für die kommenden "Ehrengäste" der Buchmesse Frankfurt. Vielleicht ergibt sich so die Möglichkeit,  auch die Schriftsteller des Iran und anderer Länder in Frankfurt zu hören und sehen, die ihre Regierung lieber zuhause ließe oder gleich verhaftete (wenn sie nicht im Exil lebten).

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Stand: 21.10.2009