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Bericht des Wiesbadener Kuriers von
der musikalisch-literarischen Lesung in der Stadtbücherei Hofheim
am 17.9.03 (http://www.wiesbadener-kurier.de/region/objekt.php3?artikel_id=1242428)
Wenn es einsam wird im Paradies
Neue Veranstaltungsreihe soll "Kultur-Begegnungen"
fördern / Start mit persischen Versen
Vom 19.09.2003
Von Kurier-Mitarbeiterin
Sonja von Saldern
Hofheim. "Wenn alle Trinker und
Verliebten in die Hölle müssten, wer will dann noch in einem
einsamen Paradies leben?" Diese provokante Frage stammt keineswegs aus
der Feder eines Francois Villon, der für seine blasphemischen Äußerungen
eingekerkert wurde. Die Gedichtzeilen wurden bereits im 11. Jahrhundert
von dem Perser Omar Khayyan verfasst - der Franzose Villon wurde 1431 geboren.
Eine Vielzahl von Versen, die der Liebe, dem Wein und dem geistigen Freidenkertum
gewidmet waren, wurden am Mittwochabend genussvoll in der Stadtbücherei
rezitiert und musikalisch zelebriert.
"Wein ist der Spiegel unseres bunten
Lebens - Verse des Hafis und Omar Khayyan" lautete der Titel dieser Lesung.
Passend zum Thema wurden Rotwein aus Chinon und Diedenbergener Weißwein
ausgeschenkt. Die Vortragenden waren Regina Berlinghof, freie Verlegerin
und Schriftstellerin aus Kelkheim und Shahram Moghadamm, ein persischer
Musiker. Der in Wiesbaden lebende Moghadamm wurde 1969 in Teheran geboren
und hat an der Musikakademie in Wiesbaden Gitarre und Klavier studiert.
Mit seiner Gitarre trug er an diesem Abend selbst vertonte Gedichte von
Hafis und Omar Khayyam in persischer Sprache, hochkonzentriert mit geschlossenen
Augen vor.
Inmitten von Büchern lauschten
die zahlreich erschienenen Besucher den gesungenen und gesprochenen Versen.
Viele Perser waren unter den Zuhörern. Die Vortragende Regina Berlinghof
ist eigentlich Juristin. Ihre wahre Passion, das Schreiben, entdeckte sie
während ihrer Wüstenurlaube und längerer Aufenthalte in
Israel und Ägypten. Über die poetischen Zeilen hinaus referierte
die Kelkheimerin den interessierten Zuhörern wichtige Hintergrundinformationen
über die persischen Dichter. Omar war zwar ein berühmter Mathematiker
und Philosoph - aber bekannt wurde er durch seine Kalenderreform. Seine
Vierzeiler waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, weil
ketzerische Verse wie "Gott, du hast uns die Schlange beschertƒ" ihn mindestens
ins Gefängnis gebracht hätten. Omar Khayyan gehörte der
erste Teil des Abends vor der Pause.
Nach der Pause wurde Hafis vorgetragen.
Er gilt als berühmtester Dichter Persiens. Ihm galt auch Goethes Bewunderung.
Hafis galt als sehr gottergeben, geriet aber wegen seiner weinverherrlichenden
Lieder in die Kritik. Ein Zitat lautet: "Schön sind die Rosen fürwahr
nichts schöner ist. Schön wenn dir bei der Hand der Becher ist.
Auf und trinke den Wein im Rosenbeet, weil die Dauer der Ros so flüchtig
ist." Jedoch lassen sich weder die Verse von Hafis noch von Omar auf eine
Huldigung an den Wein und die Liebe reduzieren. Vielmehr enthalten die
Zeilen der Dichter Kritik an den Herrschenden, Ironie, Humor, die Liebe
zu den Menschen und zu den sinnlichen Genüssen, die das Leben bereichern
sollen.
Die Lesung in der Stadtbücherei
fand im Rahmen der "Hofheimer Kultur-Begegnungen 2003" statt. Bei den Hofheimer
Kultur-Begegnungen handelt es sich um eine neue Veranstaltungsreihe, die
den Kulturdialog fördern soll. Angehörige von rund 100 Nationen
leben, wohnen und arbeiten in Hofheim. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis
und Verstehen zwischen den Kulturen zu fördern und in der Vielfalt
eine Bereicherung zu sehen.
PS: Das Zitat aus dem Omar Khayyam
Vers lautet richtig: (Nachdichtung Hans Bethges)
Es scheint mir klüger, edeln
Wein zu trinken
Und hübsche Mädchen um
die Brust zu fassen
Als heuchlerisch ein Tugendbold
zu sein.
Wenn wirklich alle Trinker und Verliebten
Zur Hölle müssen, wie
geschrieben steht, –
Ist dann ein Mensch zu finden, der
Lust hat,
Einsam ins öde Paradies zu
ziehn?
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