Yin
Yang Media Verlag, Kelkheim 2003
Die
Schriftstellerin Katharina Jukulli hat einen Roman, aber keinen
Verleger.
Was tut eine kluge Frau in solch einem Fall? Entweder sie gründet
einen Verlag oder sie entführt einen Verleger. In Regina
Berlinghofs
Roman „Schrödingers Katharina“ wird die zweite Variante
durchgespielt.
Das macht neugierig.
Nachdem
Katharina Jukulli vergeblich versucht hat, den Verleger Ulrich Kirdorf
von ihrem Romanprojekt zu überzeugen, geht sie in die Offensive.
Nach
einem minutiös ausgetüftelten Plan fädelt sie eine
Entführung
ein. Ihre Absicht ist es, den Verleger ganz von ihrem Werk und von
ihrer
Person zu überzeugen. Als Ort wählt die die Abgeschiedenheit
der Wüste von Nevada. Das ist kein Zufall, denn Katharina Jukulli
ist eine Wüstenkennerin und -liebhaberin. Insofern ist die
Angelegenheit
für sie ein Heimspiel. Es ist wie ein Versuch unter
Laborbedingungen.
Alle störenden Einflüsse werden ausgeschaltet. Und das Wunder
geschieht tatsächlich: Es entwickelt sich eine Wahlverwandtschaft.
Der widerspenstige, unzugängliche Verleger wird durch die Macht
der
Umgebung und der Persönlichkeit Katharinas überzeugt. In
wechselnden
Tagebuchaufzeichnungen stellt Regina Berlinghof diese Verwandlung sehr
plastisch vor die Augen des Lesers. Es entfaltet sich eine rasante
Liebesgeschichte,
die ihre stärksten Momente gerade dann hat, wenn die Protagonisten
sich ihrer Verschiedenheiten bewusst werden und gleichzeitig der
Anziehungskraft
des jeweils anderen erliegen. Sie sind als Feinde in die Wüste
gegangen
und kommen als Paar zurück.
Ach,
hätte es Regina Berlinghof doch bei diesem Plot belassen! Aber
nein,
sie will mehr. Nachdem klar ist, dass die beiden zueinander gefunden
haben,
entfleucht der Roman in quantenphysikalische Gefilde. Die Anspielung im
Titel auf Schrödingers Katze lässt es schon ahnen. Katharina
will ihren Ulrich nicht nur einfach lieben, sondern sie will ihn auch
mit
ihrer quantenphysikalischen Weltsicht infizieren. Dazu lässt
Regina
Berlinghof ihre Katharina lange populärwissenschaftliche Monologe
halten und inszeniert übersinnliche Events wie zum Beispiel
Begegnungen
mit Einstein und Lao Tse oder Flüge auf Drachen durch Raum und
Zeit.
Obwohl auch da einige unterhaltsame Passagen zu finden sind,
überlädt
sie damit den Roman. Der naturwissenschaftlich nicht vorgebildete oder
nicht interessierte Leser streckt die Waffen. Regina Berlinghof
überstrapaziert
aber auch ihre sympathische Titelfigur Katharina. Sie hat ihren
Verleger
zum Lieben gebracht und aus ihm einen offeneren und
liebenswürdigeren
Menschen gemacht. Das ist eigentlich schon sehr viel. Aber sie will ihn
ganz. Sie will auch sein Denken neu ordnen. Das ist eindeutig eine
Überdosis
Anverwandlung. Der Leser ist gegen Ende des Romans zunehmend irritiert
und verstimmt. Warum muss das Liebespaar unbedingt zur symbiotischen
Einheit
werden?
So
bleibt der Gesamteindruck gespalten. In „Katharinas Katze“ stecken nach
meiner Auffassung zwei verschiedene Bücher: eine interessante und
ungewöhnliche Liebesgeschichte und ein
populärwissenschaftlicher
Essay über das neue und faszinierende Weltbild der
Quantenphysik.
Möglich,
dass Regina Berlinghof im Bestreben, eine ganzheitlichen Sicht zu
erreichen
und die Grenzen von literarischer Fiktion und naturwissenschaftlicher
Erkenntnis
aufzuheben, die Ebenen ganz bewusst verschränkt hat. Möglich
auch, dass sie sich von ihrer naturwissenschaftlichen Begeisterung hat
hinreißen lassen, ihre Privatphilosophie der Figur Katharina
Jukulli
in den Mund zu legen. Wie auch immer, die Intention ist erkennbar: Im
Grunde
ist es das alte Projekt der Einheitswissenschaft oder hier besser die
Sehnsucht
nach dem Ganzen. Die Sphären des Geistes, der „Seele“, des
Gefühls
auf der einen und die der Beschaffenheit der Materie und des Kosmos auf
der anderen Seite sollen miteinander versöhnt werden. Das war und
ist ein ambitioniertes und lohnendes Unterfangen. Aber es bedarf
anderer
Mittel, als sie Regina Berlinghof in ihrem Roman eingesetzt hat und
möglicherweise
auch eines anderen Mediums.
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