Münster. Das rote Sofa hat bei
der Familie Pfeffer bestimmt schon bessere Zeiten erlebt. Aber es hat selten
so oft im Rampenlicht gestanden wie in den vergangenen vier Jahren. Zum achten
Mal haben am Sonntag zwei bekannte Schriftsteller aus den alten und den neuen
Bundesländern auf der berühmten Couch Platz genommen. Es sind Hanna
Dunkel aus Kriftel und Rainer Hohberg aus Hummelshain bei Jena. Die beiden
Literaten sind der Einladung des Magistrates gefolgt und geben bei der achten
Lesung der "Literarischen Begegnungen auf dem Ost-West-Sofa" ihr Gastspiel.
Worum es geht, das erfahren die etwa 80 Besucher im Kulturbahnhof Münster
schon während der ersten Worte von Hanna Dunkel: "Es war einmal eine
Prinzessin. . ." beginnt sie ihr Märchen "die Zauberblume". Die 60-Jährige
aus Kriftel ist langjähriges Mitglied der Kelkheimer Autorengruppe und
Schatzmeisterin der Literaturgesellschaft Hessen. In ihrem 2001 erschienenen
Märchenband "Von der Königin, die behaglich Tee zu trinken wünscht"
erzählt sie von klassischen Märchenfiguren wie Zauberern oder Hexen.
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Hanna Dunkel und Rainer Hohberg (vorne) lasen aus ihren Werken
und wurden musikalisch dabei von Saxophonist Raphael Wolf begleitet (von
links).
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Eine ihrer Protagonisten ist die
schöne Prinzessin, die sich nach der Zauberblume sehnt. Wie die Zuhörer
erfahren, kann erst einjunger Müller ihr den rechten Weg weisen. Am
Ende der Geschichte sind alle glücklich: die Prinzessin und der Müller
als verliebtes Paar, der Drache, der die von ihm bewachte Blume nicht hergeben
muß, und der König, dessen Handel mit Wunderblumen floriert. Es
ein Märchen mit kapitalistischem Ausgang", wie es Hanna Dunkel treffend
formuliert.
Bleibt die spannende
Frage: Wie unterscheiden sich die "West-Märchen" der Krifteler Autorin
von den Werken des thüringischen Schriftstellers Rainer Hohberg? Die
Kelkheimer Märchen-Autorin Uta Franck, die das Treffen der beiden "märchenhaften"
Gäste initiierte, bringt es vorab auf den Punkt: „Die Übereinstimmungen
überwiegen bei weitem, die ideologischen Unterschiede sind minimal",
sagt die Organisatorin, die gemeinsam mit Regina Berlinghoff und Sofa-Stifter
Paul Pfeffer für die Literarischen Begegnungen verantwortlich ist. Unterstützt
werden die zweimal im Jahr angebotenen Lesungen vom Magistrat und der Volksbank
Main-Taunus. Für die musikalische Begleitung sorgt der Kelkheimer Raphael
Wolf mit dem Saxofon.
Was die Kelkheimer Autorin angekündigt
hat, wird mit der Geschichte von Rainer Hohberg deutlicher. Auch bei ihm
streben die Königssöhne nach Erfolg, Macht und Geld, um in der
Gunst ihres Vaters zu steigen. Nur der dritte Sohn hält es mit den Tieren
seiner Schneckenfarm: Er will ganz langsam ans Ziel kommen. Das gelingt ihm
mit Hilfe seiner Posthornschnecke. Er klettert mit dem glitschigen Getier
den gläsernen Berg hinauf, während die Brüder mit Rennpferden
und Kamelen abrutschen, und bringt seinem Vater das rettende Lebenswasser.
Mit den bezeichnenden Worten "In diesem Land wurde die Schnecke heilig gesprochen.
Hier in Kelkheim wird es Euch jede Schnecke gern bestätigen" beendet
Rainer Hohberg sein literarisches Märchen "Der Ritter der Posthornschnecke"
unter dem Applaus der zufriedenen Gäste. (wein)
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