Text Kostprobe aus: 
Regina Berlinghof: Schrödingers Katharina oder Liebe am anderen Ende der Welt
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Thema Quantenphysik: Zu Erwin Schrödinger Auszug ab S. 177
 © YinYang Media Verlag, Kelkheim, ISBN 3-935727-08-9

(aus Katharinas Tagebuch:)
Ulrich warf mir nur einen höchst skeptischen Blick zu.
Zum Beispiel bei der heute gültigen Theorie der Doppelnatur von Licht und Materie. Daß beide sowohl Welle als auch Teilchen sind. Dabei können wir auf den Teilchenbegriff  im Grunde verzichten. Es ist alles Welle und Schwingung. Man kann den Doppelspaltversuch und viele andere Phänomene ganz anders erklären als bisher.“
„Dann mußt du das Problem den Leuten erst einmal erklären. Du kannst ihnen nicht einfach Lösungen auftischen für Fragen, die sie gar nicht gestellt haben. Der Leser muß doch wissen, worum es dir oder deiner Heldin geht! Nun erklär mir mal schön!“
„Also gut. Beim Doppelspaltversuch gibt es zwei merkwürdige Ergebnisse, die dazu geführt haben, daß man Licht und Materie sowohl als Welle als auch als Teilchen definieren muß. Erst beide Erklärungen beschreiben korrekt die Natur des Lichts und der Materie. Niels Bohr hat dafür auf das sogenannte Komplementaritätsprinzip zurückgegriffen. – Du kennst doch den Effekt, wenn du zwei Steine nebeneinander ins Wasser wirfst: Beide schlagen Wellen, und da wo sich die Wellen kreuzen, gibt es sogenannte Interferenzen. Die Wellenhügel und die Wellentäler addieren sich. Treffen Wellenberg und Wellenberg zusammen, erhöht sich der Berg. Das gleiche gilt für die Wellentäler. Nur wenn Wellenberg und Wellental zusammentreffen, gleichen sie sich aus. Ähnliches passiert, wenn man eine Kerze oder Lampe mit einem total verdunkelnden Lampenschirm umgibt und nur zwei kleine Schlitze hineinbohrt. Es gibt die Vereinigung von Wellenbergen und -tälern als helle und dunkle Streifen. Und es gibt graue Zwischentöne, wo Wellenberg und -tal aufeinanderstoßen. Also das typische Interferenzphänomen. Darum wird Licht als Welle definiert. 
Nun gibt es aber auch die Besonderheit, daß Licht, wenn es nur durch einen Schlitz durchgelassen wird und auf eine Fotoplatte trifft, Elektronen herausreißen kann. Das ist der photoelektrische Effekt. Die Lichtstrahlen treffen auf die Fotoplatte so punktuell gestreut wie Kanonenkugeln, die auf eine Festungsmauer abgeschossen werden und dort Mauersteine herausreißen. Kein Anzeichen von Wellen. Also sagten die Physiker, Licht besteht aus Teilchen, den Photonen. Nur kann man mit dieser Theorie nicht die Interferenzphänomene erklären, die sofort auftreten, wenn man wieder zwei Schlitze öffnet. Und jetzt kommt das Absurde, was die Physiker bis heute zum Verzweifeln bringt: Wenn der Lichtstrahl so verengt und verlangsamt wird, daß jeweils nur ein einziges Photon ausgesendet wird, das dann nur einen von den beiden Schlitzen passieren kann, dann gibt es doch die Welleninterferenzen. Schließt man abwechselnd den einen oder anderen Schlitz, dann gibt es den üblichen Streueffekt von ganz hell in der Mitte und nach außen hin immer dunkler werdend – gänzlich ohne Interferenz. Das Vertrackte ist das Öffnen beider Schlitze, selbst wenn nur das einzelne  Photon eigentlich nur durch einen der beiden Schlitze passieren kann. Wenn nur eines durch den linken Spalt zum Beispiel durchgeht, gibt es trotzdem Interferenzen, als wüßte das Photon, daß der rechte Spalt auch offen ist. Das gleiche gilt, wenn ein Photon den rechten Schlitz passiert und der linke Schlitz gleichzeitig geöffnet ist.
Und ich meine, das kann man auch anders erklären und auf die Teilchentheorie verzichten. Schrödingers Wellengleichungen reichen. Er hat Licht und Teilchen als Welle beschrieben. Und seine Mathematik stimmt! Nur in der Normalwelt führt es zu absurden Konsequenzen. Nicht einmal Schrödinger wollte sich damit abfinden.“
„Willst du den Leuten in einem Roman etwa Formeln vorsetzen?“ Er lehnte sich wie zu Abwehr zurück. „Das liest doch kein Mensch!“
„Natürlich lasse ich Formeln außen vor. Ich habe sie ja selbst nicht. Ich bin keine Mathematikerin. Aber ich habe neue Bilder zu Fragen der Quantenphysik, zu diesem Doppelspaltexperiment, zur Doppelnatur des Lichts und der Materie, zur Lichtgeschwindigkeit und zu Schrödingers Katze. Schrödinger selbst hat am Sinn seiner richtigen Gleichungen gezweifelt. Das hätte er nicht tun sollen. Er hat den Ergebnissen und Folgerungen seiner Formeln selbst nicht getraut. Daher sein Beispiel mit der Katze im Kasten, die nach seinen Gleichungen zugleich lebendig und tot ist – bis der Experimentator den Kasten öffnet. Erst die Messung würde nach seinen Messungen über Leben oder Tod der Katze entscheiden. Sein Beispiel ist so aufgebaut, daß eine Giftphiole, die die Katze im Kasten töten würde, nur dann zerbrochen und damit geöffnet wird, wenn sie von einem Teilchen getroffen wird, das beim atomaren Zerfall eines radioaktiven Materials erzeugt wird. Da der Zerfall nur statistisch vorhersagbar ist, weiß man nicht genau, wann und ob innerhalb eines bestimmten Zeitraums tatsächlich ein Atom zerfällt. Schrödingers Gleichung definiert ja selbst ein Atom und ein Teilchen als eine sich überlagernde Welle, die sowohl Plus- als auch einen Minuswert zuläßt, und zwar zur gleichen Zeit! Die Katze kann also zur gleichen Zeit lebendig oder auch tot sein. So wie 4 aus plus 2 mal plus 2 oder aus minus 2 mal minus 2 bestehen kann. Erst beim Messen und Nachschauen entscheidet sich, ob die Katze lebt oder tot ist." 
„Armes Tier“, sagte Ulrich nur.
„Es ist ganz merkwürdig. Die Physiker rechnen seit langem mit mehrdimensionalen Strukturen, aber nur wenige wagen es, sie als physikalische Realität darzustellen. Irgendwie ist es ja auch so, als würde unser Weltbild einer Schutzhülle beraubt, wenn unsere Welt so offen in Dimensionsrichtungen ist, die wir mit unseren Sinnen nicht erkennen können. In der frühen Neuzeit war es ähnlich. Schon seit Kopernikus und Kepler rechneten die Physiker mit Kreis- und Ellipsenbahnen der Erde und der Planeten um die Sonne. Aber erst Galilei wagte es, das Weltbild umzustürzen und es als Wirklichkeit zu beschreiben.“
 

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Regina Berlinghofs Roman "Schrödingers Katharina oder Liebe am anderen Ende der Welt" ist soeben erschienen.
ISBN 3-935727-08-9, br. 258 S. Euro 14,00

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Stand: Mai 2003