Böhmezeitung, Soltau, vom 8. Oktober 2002
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"Ich schreibe Verse, da ich nichts anderes kann"


Biographie über den Dichter Hans Bethge ist neu erschienen: Seine Nachdichtungen orientalischer Lyrik sind lebendig
 

Soltau. "Heinrich Vogeler, der Maler, Martha Vogeler, die Mutter, Hanna Schulze-Lange, das Fräulein, Clara Rilke, die Bildhauerin, Hans Bethge, der Dichter, Bernhard Fritsch, der Flieger, Carl Weidemeyer, der Malerlehrling, waren mit Frido Witte zusammen in der Umgebung von Schneverdingen bis Lüneburg." So heißt eine Notiz des Worpsweder Malers Weidemeyer im Gästebuch des Malers Frido Witte unter dem Datum 17. bis 20. Juli 1913. Die meisten Namen sind vielfach bekannt, einige Genannte haben mit Witte die Kahnfahrt von Lünzen nach Worpswede unternommen. Wer aber war der Dichter Hans Bethge?
Der Neffe Eberhard G. Bethge, inzwischen 85 Jahre alt, hat seine Biographie "Hans Bethge", die zum erstenmal 1980 erschien, jetzt gründlich erweitert und korrigiert. Während die frühen Gedichte und Erzählungen Bethges nahezu vergessen sind, leben seine Nachdichtungen orientalischer Lyrik immer noch. Mehr als 160 Komponisten haben bis heute die Übertragungen Bethges aus dem Chinesischen, Japanischen, Persischen, Arabischen Türkischen, Indischen, Armenischen aufgegriffen und vertont, darunter Gottfried von Einem, Hanns Eisler, Arnold Schönberg, Richard Strauß, Anton von Webern und Gustav Mahler, dessen "Lied von der Erde" auf Bethges "Chinesische Flöte" zurückgreift.
Der Lyriker ist zwar sprachlich begabt gewesen, er studierte Romanistik und sprach auch Spanisch. Seine einfühlsamen Übertragungen aber gehen auf französische Übersetzungen zurück. Bethge war mit vielen Schriftstellern und Künstlern bekannt und befreundet, beispielsweise mit Heinrich Vogeler, Friedrich Ahlers-Hestermann und Wilhelm Lehmbruck. 1904 veröffentlichte er ein Buch über die Worpsweder Künstler.
Zu seinem 50. Geburtstag schrieb Hans Bethge ein Selbstporträt, das neu in die dritte. Auflage des Buches aufgenommen wurde. Darin äußert er sich auch über seine Arbeitsweise: "Ich schreibe Verse, Erzählungen, Aufsätze, da ich nichts anderes kann, hierüber verrinnt das Dasein. Ich schreibe stockend, mit geringer Ausdauer, in kleinen Absätzen, intuitiv und unmethodisch, meist ist es eine Qual. Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich faul auf dem Deck eines Schiffes liege ..."
Reisen lockten den Schriftsteller immer wieder fort von seinem Wohnort Berlin, seine Reisen mit dem Freund und Verleger Ernst Rathenau führten ihn nach Ägypten, worüber er 1926 ein Buch publizierte. Wegen der Judenverfolgungen musste Rathenau Deutschland verlassen, Hans Bethge zog nach Kirchheim unter Teck um der Bombardierung Berlins zu entgehen. Dort starb er 1946. Die dritte Auflage der Biographie enthält neu: "In Memoriam Hans Bethge" von Ernst Rathenau.
Im Mittelteil des Buches führen Fotos durch das Leben Bethges, auch sie sind neu aufgenommen worden. Eine weitere Ergänzung stellen die "Persönlichen Erinnerungen" des Neffen und Autoren dar. Für 1941 berichtet dieser über das Erscheinen des "Asiatischen Liebestempels", der mit indischen und persischen Miniaturen illustriert war, die Professor Dr. Ernst Kühnel (Berlin), der Freund Frido Wittes, dem Verlag zur Verfügung gestellt hatte. Trotz der schlechten Zeiten hatte man Gold und Silber für die Wiedergabe zur Verfügung gestellt.
Der YinYang Media Verlag, der die Bethge-Biographie jetzt herausgebracht hat, bietet dem Leser eine Neuauflage von Bethges Nachdichtungen orientalischer Lyrik an, die 2005 mit den „Pfirsichblüten aus China“ abgeschlossen sein soll.
Karl-Ludwig Barkhausen
 

Eberhard G. Bethge: Hans Bethge – Leben und Werk (mit Bibliographie seiner Schriften, Arbeiten über ihn und die Vertonung seiner Nachdichtungen), YinYang Media Verlag, 177 Seiten ISBN 3-9806799-9-3. 12,90 Euro.
 

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